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Montag, Mai 20, 2024

Rekruten für die freie Wirtschaft – Unternehmen setzen auf Soldaten

Angesichts des Fachkräftemangels suchen Unternehmen nach immer neuen Wegen, um geeignetes Personal zu finden. Ein beliebter Pool: Soldaten. Dabei geht es um mehr, als um Kasernenton in den Büros und Werkshallen.

Noch vor wenigen Jahren lag der Arbeitsplatz von Rudolph Vergez-Larrouget in einem Feldlager im Niger. Das nächste Krankenhaus war zehn Stunden entfernt, als Teil der Operation Barkhane war er für das französische Militär gegen islamistische Terroristen im Einsatz. Jetzt geht es für ihn darum, dass bei Amazon in Magdeburg Bücher, Spielzeug, Tablets oder Hundefutter möglichst effizient und schnell verpackt werden. «Was ähnlich ist? Die Prozesse sind alle unheimlich standardisiert.»

Der 31-Jährige war über ein militärisches Austauschprogramm auch bei der Bundeswehr, studierte an der Bundeswehr-Universität in Hamburg. Sein damaliger militärischer Vorgesetzter arbeitet inzwischen auch bei Amazon. Ähnlich wie der Online-Versandhändler setzen viele Unternehmen in Deutschland inzwischen auf den Personalpool des Militärs. Mehr als 4500 Kooperationen gibt es zwischen der Bundeswehr und Firmen inzwischen. Es ist ein stetiger Strom: Rund 20 000 Soldatinnen und Soldaten scheiden nach Angaben der Bundeswehr jedes Jahr durchschnittlich aus dem Dienst aus – viele von ihnen mit einer guten Ausbildung.

Die Liste der Kooperationen umfasst neben verschiedenen regionalen Kammern auch öffentliche Institutionen wie die Polizei oder Unternehmen wie die Deutsche Post, die Deutsche Bahn, der Autobauer Tesla und die Supermarktkette Rewe. Dabei schätzen Unternehmen neben einer fachlichen Ausbildung auch noch etwas anderes: Vor allem Offiziere und Unteroffiziere hätten schon sehr früh Führungsverantwortung für Menschen und Material, teilweise in Millionenhöhe, teilte eine Sprecherin der Deutschen Bahn mit. Allein in diesem Jahr stelle die Bahn mehr als 25 000 neue Mitarbeitende insgesamt ein, dazu gehöre es dann auch, alle Arbeitsmarktpotenziale auszuschöpfen.

Denn die Lage für Arbeits- und Fachkräfte verschärft sich. Wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zuletzt mitteilte, liegt die sogenannte Arbeitsmarktanspannung, die das Verhältnis von offenen Stellen und arbeitssuchenden Personen beschreibt, auf einem Höchststand der vergangenen Jahre. Betriebe nutzten daher bei Personalsuche oft verschiedene Suchwege, um geeignete Fachkräfte zu finden.

Während vor allem kleinere Unternehmen auf Empfehlung und Vermittlung durch eigene Mitarbeiter setzten, sei es bei großen Unternehmen eher ein Mix verschiedener Mittel, erklärt Alexander Kubis vom IAB-Forschungsbereich für Arbeitsmarktprozesse und Institutionen. «Je schwieriger sich die Personalsuche gestaltet, desto breiter sucht ein Betrieb.»

«Der entscheidende Vorteil ist, dass der Soldat sehr früh sagen kann, wann er verfügbar ist», sagt Felix Klein vom Internetportal Dienstzeitende. Es ist eine Plattform und Stellenbörse, die explizit auf Soldaten ausgerichtet ist. Klein war selbst zwölf Jahre Soldat und hat die Plattform vor 14 Jahren gegründet, weil es damals entsprechende Angebote noch nicht gegeben habe. Heute gibt es bei der Bundeswehr mit dem Berufsförderungsdienst eine eigene Stelle mit 800 Mitarbeitenden, die sich um die Förderung und den Übergang in die freie Wirtschaft kümmern. «Inzwischen gibt es immer mehr Unternehmen, die diese Personalquelle Soldat auf dem Schirm haben», sagt Felix Klein.

Und auch die Bundeswehr profitiert von den Kooperationen. Dadurch werde schließlich auch die Bundeswehr attraktiver, wenn nach dem Ausscheiden aus dem Dienst klar sei, dass es weitergehe, so eine Sprecherin. So hätten in den letzten Jahren mehr als 94 Prozent der ausgeschiedenen Soldaten auf Zeit bereits im ersten Jahr nach dem Dienstzeitende im zivilen Arbeitsmarkt Fuß fassen können.

Für Rudolph Vergez-Larrouget war klar, dass er nach seiner Dienstzeit in die freie Wirtschaft wollte. Der Gestaltungsspielraum und die offeneren Entscheidungswege reizten ihn, sagt er. «Man sieht hier dann auch sehr schnell die Ergebnisse und kann sie analysieren.» Aber im Endeffekt verschickten sie auch nur Pakete. (dpa)

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