Die Arbeit von Julie Singh erinnert äußerlich zurzeit ein wenig an «Star Trek»: Als Hologramm auf einem Display berät sie Menschen, die sich für Design-Leuchten oder hochwertige Sessel interessieren. Ganz so lebensecht wie in der legendären Science-Fiction-Reihe sieht das natürlich nicht aus. Singh geht dafür in ein kleines Studio in einer Ecke eines Möbelgeschäfts in Nürnberg – und erscheint dann als dreidimensionales Bild auf einem großen Display, hochaufgelöst und in Echtzeit. Was ein erster Test ist, könnte nach Ansicht von Fachleuten in einigen Jahren Realität im Einzelhandel sein.
Der Möbel-Versandhändler Cairo jedenfalls sieht große Potenziale in der Hologramm-Technik. Der Mittelständler aus Groß-Umstadt in Hessen unterhält neben seinem Online-Shop zwei Filialen in Frankfurt und Nürnberg, würde aber gerne in anderen Orten mit sogenannten Pop-up-Stores experimentieren, temporären Läden. Eine große Hürde dabei sei der Fachkräftemangel, sagt Vorstand Gero Furchheim. «Was die Läden ausmacht, ist das erfahrene Personal.» Seine Idee ist deshalb: Verkaufsberaterinnen wie Julie Singh in die temporären Geschäfte zu übertragen, damit diese Kundinnen und Kunden live und fast wie in einem echten Gespräch beraten können.
Test soll Akzeptanz ausloten
Bei dem Testprojekt in Nürnberg muss Singhs Hologramm nur 300 Meter weit reisen. Ihr Bild wird auf ein Display in einem nahe gelegenen Innovationslabor übertragen, wo Testpersonen die neue Technik ausprobieren können. Anschließend sollen sie zu ihren Erfahrungen befragt werden. Dadurch wollen Furchheim und sein Team unter anderem herausfinden, wie sich die holografische Beratung am besten umsetzen lässt und wie die Akzeptanz bei Kundinnen und Kunden ist. Ziel des von der Günther-Rid-Stiftung finanzierten Projektes sei, dass auch andere Einzelhändler von den Erkenntnissen profitieren, sagt Furchheim.
Doch wie realistisch ist es, dass Hologramme bald Verkaufsgespräche in Geschäften übernehmen? Auf Messen und Konferenzen kommt die Technik nach Angaben des kanadischen Herstellers ARHT zum Beispiel schon zum Einsatz. Auch bei der Hologramm-Telefonie gibt es erste Fortschritte: Mittels Virtual-Reality-Brille ist es möglich, dreidimensionale Hologramme der Gesprächspartnerinnen und -partner oder von Objekten zu sehen. Firmen können die Software des slowakischen Unternehmens Matsuko bereits nutzen, das mit mehreren Netzbetreibern zusammenarbeitet. Bis Hologramme in privaten Telefonaten auftauchen, wird es aber noch dauern. Der spanische Telekommunikationsanbieter Telefónica mit seiner deutschen Tochter O2 peilt einen Marktstart für 2026 an.
Eher ein Nischen-Ding
Im Handel werden Hologramme in nächster Zeit eher die Ausnahme bleiben. «Die Hologramm-Technik ist aktuell aufgrund der Kosten eher ein Nischen-Ding», sagt Martina Simon von der Arbeitsgruppe für Dienstleistungen in der Lieferkette des Fraunhofer-Instituts IIS in Nürnberg, das das Projekt in Nürnberg von wissenschaftlicher Seite unterstützt. «Das ist etwas, was man in fünf bis zehn Jahren antreffen könnte, wenn die Technik etwas erschwinglicher geworden sein könnte.» Auch in der Medizin könnte diese dann ihrer Ansicht nach hilfreich sein – der Doktor, ein medizinisches Hologramm bei «Star Trek», lässt grüßen.
Die Hologramm-Technik kostet nach den Angaben von Furchheim um die 40 000 Euro, dazu kommen in etwa 10 000 Euro für die Ausstattung des Studios – etwas, was ein Mittelständler mit 70 Mitarbeitenden nicht eben so stemmen kann. «Ohne Unterstützung hätten wir es wahrscheinlich nicht gemacht», meint Furchheim.
Der Trend gehe seit Jahren zu einer Verknüpfung von online und stationär, erläutert Stefan Hertel vom Handelsverband Deutschland. «Das Ziel ist, dass die Kunden dann das Beste aus beiden Welten bekommen.» Dass Online keine Konkurrenz zum Ladengeschäft ist, sondern dieses in vielen Sortimentsbereichen ergänze, bestätigt auch Oliver Schmitz von dem Marktforschungsunternehmen NIQ/GfK. Zwar wachse der Online-Handel in vielen Kategorien sehr dynamisch, bei Gütern des täglichen Bedarfs wie haltbaren Lebensmitteln liege der Umsatzanteil aber immer noch bei 8 Prozent, bei Technik und anderen langlebigen Gebrauchsgütern bei 35 Prozent. «Es ist kein Entweder-oder. In der Zukunft muss man in vielen Märkten auf allen Kanälen spielen», meint der Experte.
Eine Herausforderung wird aus seiner Sicht allerdings sein, welche Zielgruppe die Händler bedienen wollen. «Wer sich auf alle fokussiert, muss aufpassen, dass er nicht zum Händler für keinen wird», sagt Schmitz. Dass die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden ganz unterschiedlich sind, betont auch der Handelsverband Deutschland. «Es gibt sehr technikaffine Kundinnen und Kunden, die sich gerne auf Neuerungen einlassen. Auf der anderen Seite gibt es aber sehr beständige Menschen, die eher am Altbewährten festhalten möchten», sagt Hertel. Deshalb gebe es zum Beispiel Kassen, wo man Einkäufe schnell selbst scannen könne und sogenannte Plauderkassen, wo Menschen miteinander ins Gespräch kommen könnten.
Welche Menschen sich gerne von einer Hologramm-Verkäuferin beraten lassen, die Frage soll auch das Projekt in Nürnberg beantworten. «Bisher sind die Rückmeldungen begeistert», sagt Furchheim. Der Test läuft noch bis zum 17. März. Und werden dann bei Cairo bald Hologramme im Einsatz sein? «Im Sommer werden wir über die Ergebnisse sprechen und die nächsten Schritte beraten», sagt Furchheim. Klar sei aber auch, dass man warten werde, bis wieder mehr Aufbruchsstimmung und eine bessere Konsumlaune in Deutschland herrsche. (dpa)