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Dienstag, April 23, 2024

Etailer eröffnen Shops: Druck auf stationären Handel steigt

Vom Internet in die totgesagte Welt der Einkaufsstraßen: Etailer wie Cyperbort oder Notebooksbilliger reizt zunehmend auch der Offline-Handel. Der Druck auf den stationären Handel steigt.

Der Online-Handel galt lange Zeit als Totengräber des klassischen Einzelhandels. Doch inzwischen eröffnen immer mehr Internetanbieter wie Mymuesli, Notebooksbilliger oder Fashion For Home selbst stationäre Geschäfte – oder verkaufen ihre Produkte über etablierte Fachgeschäfte und Supermarktketten. Denn die totgesagte Welt des Offline-Handels hat auch für sie Vorteile. Zu den ersten, die den Schritt in die Offline-Welt wagten, gehörte Mymuesli. Der 2007 gegründete Versender von individuell zusammengestellten Müslis eröffnete bereits 2009 neben dem Online-Standbein das erste traditionelle Geschäft und betreibt inzwischen 36 Mymuesli-Läden in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch in den Supermärkten von Edeka, Rewe und Co. stehen die Produkte der Online-Pioniere längst in den Regalen. Viele Menschen zögen es gerade bei Lebensmitteln vor, sie vor dem Kauf erst einmal anzufassen und eventuell zu probieren, erklärt Mymuesli-Mitgründer Max Wittrock die Vorteile realer Läden. Außerdem steigere die Präsenz vor Ort den Bekanntheitsgrad der Marke.

Auch Elektronikversender wie Cyberport und Notebooksbilliger haben längst den Reiz stationärer Geschäfte erkannt. Cyberport betreibt inzwischen neben seinem Online-Geschäft zwischen Hamburg und München auch 15 ganz normale Läden. «Technik wird immer mehr zum Lifestyleobjekt, dies heißt, es besteht bei vielen Kunden ein großes Bedürfnis die Geräte vorher anzufassen, auszuprobieren oder auch die Farbe des Produktes live zu sehen», begründet das Unternehmen die Offline-Offensive. Über die Stores erreiche man außerdem besser die Kunden, die noch Beratung suchten oder unentschlossen seien.

Ein weiteres Beispiel ist Chocri: «Der Schritt in den stationären Süßwaren-Fachhandel war mehr als richtig. Er war für uns ein absoluter Glücksgriff», meint Michael Bruck, Geschäftsführender Gesellschafter der Berliner Schokoladenmanufaktur. Gegründet wurde Chocri 2008 als Onlineshop. Er bietet Kunden auf seiner Website die Möglichkeit, aus mehr als 80 Zutaten ihre eigene Schokolade zu kreieren. Mit dieser Idee ist das Unternehmen nach eigenen Angaben zu Deutschlands größter Online-Confiserie geworden. Doch inzwischen gibt es die Produkte der Berliner auch schon in über 300 Süßwaren-Fachgeschäften. Geht es nach Bruck sollen es in zwölf Monaten schon 500 Verkaufsstellen sein. «Das Geschäft über die traditionelle Ladentheke hat sich bei uns schnell und robust als drittes Standbein etabliert», betont er. Noch mache man zwar deutlich mehr Volumen mit dem Online-Geschäft für Privat- und Geschäftskunden, aber die Wachstumschancen im stationären Handel seien noch lange nicht ausgereizt.

Chocri ist mit dem Schritt vom Online-Handel zum Offline-Handel nicht allein. Nach einer Marktanalyse des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI betreibt schon heute jeder zweite der 1.000 größten Onlineshops auch stationäre Geschäfte. Und es ist vielleicht auch eine vernünftige Überlebensstrategie. Gehen doch Handelsexperten wie Kai Hudetz vom Institut für Handelsforschung (IFH) davon aus, dass in den nächsten Jahren 90 Prozent der reinen Online-Händler wieder vom Markt verschwinden werden, weil sie den Platzhirschen wie Amazon nicht gewachsen sind. Bedeutet die wachsende Lust der Online-Händler auf Engagements in der realen Ladenwelt Entwarnung für die klassischen Händler? Im Gegenteil, meint der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Der Druck auf die etablierten Händler könne dadurch sogar noch größer werden. «Ich glaube, die Online-Anbieter werden den stationären Handel neu erfinden: Sehr viel effizienter, verknüpft mit digitaler Technik», meint er und sagt voraus: «Der etablierte Handel wird hier noch einige Überraschungen erleben.»

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