Paradox: Unsere Branche, die Technologie, Hardware, Netze und Software für Marketing und Verkaufslösungen liefert, ist bei deren Nutzung bereits deutlich abgeschlagen. Die ITK- und CE-Retailer müssen schnell reagieren und neue Entwicklungen nutzen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Diese These vertreten Mirko Sauer, CEO der Crossbuy AG und Peter Silberhorn, früher für den CE-Channel bei Computer 2000 (Tech Data) und Ingram Micro verantwortlich und heute Inhaber von Silberhorn Consulting.
ChannelObserver: Warum wird der Einzelhandel für IT und Consumer Electronic technologisch von anderen Branchen und Etailern abgehängt, wie Sie behaupten?
Silberhorn:Ganz einfach. Die IT-Branche liefert zwar Technologie, Hardware, Netze und Software für Marketing und Verkaufslösungen, nutzt diese Lösungen aber selber kaum. Die ITK- und CE-Retailer müssen schnell reagieren und neue Entwicklungen nutzen, um den Anschluss an die Etailer nicht zu verlieren.
Sauer: Installationen von Instore-Marketing-Lösungen und Multichannel-Strategien stehen in der Modebranche beispielsweise ganz oben auf der Agenda. Das Wissen über den potenziellen Kunden ist ein klarer Wettbewerbsvorteil. Online kann man dieses Wissen seit Jahren sammeln und nutzen. Die Anbieter von Textilien, Schuhen und Accessoires haben das als Erste verstanden und sind in der Umsetzung von zukunftsweisenden Strategien dem ITK-Channel deutlich voraus. Die ITK-Branchengrößen zögern dagegen immer noch mit der konsequenten Umsetzung von Multichannel-Projekten. Statt dessen werden gerade Teillösungen und einzelne Pilotprojekte für Instore-Marketing am POS gestartet.
ChannelObserver: Wie sehen die entscheidenden Trends aus?
Sauer: Der stationäre Retail steht vor dramatischen Veränderungen. Die Konvergenz von Internet, Mobile, Geo Targeting, Social Media und Instore-Marketing-Technologie ist bereits real und wird immer häufiger genutzt. Durch Allianzen von Top Unternehmen bildet sich bereits ein solides Fundament für die schnelle Ausbildung einer breiten Anbieter- und Endkundenbasis.
Silberhorn: Wir stehen vor dem Umbruch des Handelsmarketings. Das ist die Chance für stationäre Retailer. Aber sein schnelles Umdenken und Handeln ist jetzt gefragt.
Sauer: Ja, die Retail-Branche wird gerade revolutioniert. Innerhalb eines halben Jahres haben wir die Crossbuy-Strategie und das Toolset in einem ständigen Entwicklungsprozess an die künftige Situation im Handel angepasst. Durch zentral gesteuertes Marketing mit Triggern für die Multiplikation von Werbung in Social Media-Plattformen war es im Frühjahr 2014 noch möglich, Kaufimpulse zu erzeugen und Kundendaten für besseres Marketing zu analysieren. Heute erfordert Multichannel viel mehr. Deshalb kombiniert Crossbuy beispielsweise die Anforderungen an zeitgemäßes Marketing zu einer schlüssigen Komplettlösung mit neuesten Technologien. Dazu zählen unter anderem ein responsives Benutzerinterface für Smartphone, Tablet, Desktop und SmartTV, mobile Apps für die Ansprache von Zielgruppen auch unterwegs, Integration aller sozialen Netzwerke, Geo-Targeting und ein API-System für professionelle Nutzer sowie eine zentrale Datenbank für CRM-Daten. Ohne diese Integration arbeiten Retailer nicht mit der nötigen Transparenz und Effizienz und versäumen Umsatzpotentiale.
ChannelObserver: Warum hat sich diese nötige Integration von Lösungen noch nicht im Handel durchgesetzt?
Silberhorn: Der Aufwand für die individuelle Entwicklung und Implementierung aktueller und künftiger Marketing-Funktionen ist für einzelne Unternehmen aufwendig und erzeugt zu hohe Kosten. Leverage und Skaleneffekte sprechen klar für die Nutzung von Lösungen durch Drittanbieter. Außerdem haben marken- oder händlerindividuelle Lösungen den Nachteil, nicht das Kauferlebnis einer City oder eines Einkaufszentrums zu bieten. Kunden wählen und kaufen dort, wo sie ein konsolidiertes, attraktives und markenübergreifendes Angebot finden.
ChannelObserver: Hat der stationäre ITK-Handel die Chance, verlorene Marktanteile wiederzugewinnen?
Silberhorn: Ja, der stationäre Handel steht nach Verlusten von Markanteilen an die Etailer vor einer Wiederbelebung. Mit zunehmender Reife des Online-Handels wird die Wertschöpfung zunehmend schwierig. Versandkosten und Aufwendungen für Retouren werden zu Preiserhöhungen führen. Same Day Delivery treibt die Granularität von Lieferungen und erhöht durch mehr erforderliche Transaktionen nochmals die Kosten in der Supply Chain. Ein Teufelskreis. Die Situation wird durch die Gewinnerwartung von Investoren verschärft, die bei anhaltenden Verlusten bekannter Retailer zunehmend unzufrieden reagieren. Das spielt dem stationären Handel in die Karten.
ChannelObserver: Der stationäre Handel muss also seine bekannten Stärken ausspielen.
Sauer: Genau. Der stationäre Einzelhandel benötigt dazu beispielsweise interdisziplinäre und zentralisierte Marketingplattformen. Anbieter wie Crossbuy stellen diese zur Verfügung. Sowohl online als auch mobil werden potenzielle Kunden adressiert und zum Kauf im stationären Retail motiviert. Doch Tools alleine machen nur einen Teil künftiger Erfolgskonzepte für den Handel aus. Produkte und ganze Kollektionen entwickeln erst über Haptik und Optik ihre ganze Attraktivität. Die Stärke des stationären Handels, genau diese Phänomene erlebbar zu machen, muss bereits online vermittelt werden. Das stellt sehr hohe Ansprüche an den Online Auftritt und an die Produktbeschreibungen.