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Freitag, April 19, 2024

Vorstellungsgespräch: Nicht gleich an die Decke gehen

Fragen sind ein beliebtes Mittel, um Bewerber aus der Reserve zu locken. Mit der richtigen Vorbereitung lässt sich vermeiden, dass das Vorstellungsgespräch zur Katastrophe wird.

Es lief ganz gut. Bis diese eine Frage kam: „Was spricht gegen Sie als Bewerber für diese Stelle?“ Antje Rockers (Name geändert), die sich als Marketingmitarbeiterin bei einem Pharmaunternehmen beworben hatte, stockte der Atem. Was für eine fiese Frage, dachte sie. Und war zunächst sprachlos. Auch weniger „fiese“ Fragen bringen Bewerber in Vorstellungsgesprächen immer wieder aus der Fassung: Wie erklärt man Lücken im Lebenslauf? Was sagt man, wenn man nach dem letzten Arbeitgeber gefragt wird? Wie kaschiert man, dass man schon sehr lange auf der Suche nach einem neuen Job ist? Auch Fragen wie „Welche Position hätten Sie heute, wenn Sie in einem optimalen Klima hätten arbeiten können?“ oder auch „Warum sollten wir uns ausgerechnet für Sie entscheiden?“ lassen den Stresspegel eines Kandidaten ordentlich nach oben schnellen: Der eine reagiert mit feuchten Händen, der andere zerlegt seinen Kugelschreiber in hundert Einzelteile, dem Dritten verschlägt es gänzlich die Sprache. Dabei geht es gar nicht darum, dass der Einwand oder die Frage ernsthaft diskutiert oder entschärft werden sollen. „Kreuzverhörähnliche Situationen, Überraschungen, unerwartete Fragen, bei denen der Bewerber das Gefühl hat, in ‚die Ecke gedrängt’ zu werden, sind darauf angelegt, zu sehen, wie selbstbewusst jemand ist“, weiß Bewerbungsexperte Jürgen Hesse. Stressfragen werden nämlich gern eingestreut, um die Kritikfähigkeit und Stressresistenz eines Kandidaten zu überprüfen. „Wie lang ist ein 10-Mark-Schein?“ lautete beispielsweise vor 20 Jahren eine Frage, die damalige Bewerber aus der Fassung brachte.

Die meisten Probleme, so Hesse, hätten Bewerber mit der klassischen Frage nach den eigenen Schwächen: „Da fällt den meisten nichts ein, was sie gern erzählen würden. Dabei hat natürlich jeder Schwächen – und wenn es nur Schokolade ist“. Weit verbreitet ist auch der Irrglaube, man solle am besten nur Schwächen nennen, die in vermeintliche Stärken umgewandelt werden können. Die seit Jahren kursierenden Standardantworten „Ungeduld“ oder „Perfektionismus“ haben daher mittlerweile ausgedient. Dennoch sollten sich Bewerber auf eine solche Frage vorbereiten. Und eine Antwort geben, mit der sie sich möglichst nicht selbst schaden. Unpünktlichkeit beispielsweise wäre eine Schwäche, die unmittelbar negative Auswirkungen hätte.

Die einzig richtige Antwort auf eine Frage gibt es ohnehin nicht. Sie zielt eher auf die Ehrlichkeit des Bewerbers ab und auf seine Fähigkeit, mit Schwächen umzugehen. Der Tipp des Karriereexperten Hesse lautet denn auch, mit Gelassenheit und Charme zu reagieren. Leichter gesagt als getan, aber darauf kommt es eben an. „Zu zeigen, dass man nicht gleich an die Decke geht, sondern freundlich und gelassen bleiben kann“, betont Hesse. Wer sich mit den Spielregeln eines Bewerbungsgespräches und dem Unternehmen, bei dem er sich bewirbt, auseinander gesetzt hat, kann auch bei vermeintlich fiesen Fragen souverän kontern. „Zumal keine Frage von vornherein schwierig oder gar fies ist“, so Hesse, „sondern meist erst während des Gesprächsverlaufs so empfunden wird.“ Je besser die Vorbereitung, umso geringer ist daher der Stresspegel während des Gesprächs. Hesse rät allen Berufseinsteigern und Wechselwilligen „Suchen Sie nicht erst im Vorstellungsgespräch nach den passenden Worten, sondern trainieren Sie vorher Ihre Antworten auf typische Fragen.“ Hilfreich sei auch, diese Antworten mit kurzen und aussagekräftigen Beispielsituationen zu untermauern.

Antje Rickers hatte sich vorbereitet – und reagierte richtig: „Wenn das so ist, werde ich mir Gedanken darüber machen, wie ich Sie noch besser hätte überzeugen können“, konterte die Betriebswirtin. Eine souveräne Reaktion, so Karriereexperte Hesse. Das fanden auch die Personalverantwortlichen des Pharmaunternehmens – und stellten die junge Frau ein.

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