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Freitag, März 29, 2024

So stellt sich Microsoft die Zukunft vor

Microsoft präsentiert auf seiner Hausmesse Build, wie sich der Software-Konzern die Zukunft mit künstlicher Intelligenz, Computing aus der Cloud, Chatbots und digitalen Assistenten vorstellt.

«Hey Cortana, wie sieht mein Tag aus?» Laura Jones von Microsoft bekommt prompte Antwort aus einer silbernen Röhre: Ein auswärtiger Termin steht an, aber weil der Tank des Autos fast leer ist, sollte sie zehn Minuten früher losfahren und tanken. Gesagt, getan, doch dann der Stau. Cortana, die digitale Assistentin, meldet sich im Auto wieder: Straße gesperrt, man schafft es nicht rechtzeitig ins Meeting. Soll Cortana die anderen Teilnehmer informieren und sie zum Beginn des Treffens dann per Skype telefonisch zuschalten? Das scheint die beste Lösung. Ein «Ja» als Antwort genügt. Microsoft präsentiert auf seiner Hausmesse Build in Seattle, die noch bis Freitag läuft, wie sich der Software-Konzern die Zukunft mit künstlicher Intelligenz, Computing aus der Cloud, Chatbots und digitalen Assistenten vorstellt. Vorstandschef Satya Nadella will den Windows-Riesen schnell in den größten Anbieter der Welt für digitale Angebote und Dienstleistungen des 21. Jahrhunderts umschmieden. Sensoren und Software sammeln und liefern die Daten, die Microsoft analysiert, umwandelt, aufbereitet und in Empfehlungen oder Aktionen umsetzt. Die Rivalen dabei sind vor allem Google und Amazon, aber auch Apple.

In den Alltag der Verbraucher treten smarte Assistenten der der Konkurrenz wie Amazons Alexa oder der Google Assistant derzeit vor allem über die vernetzten Lautsprecher der beiden Firmen. Microsoft sucht sich in dem Markt nun Unterstützung beim Hifi-Spezialisten Harman Kardon. Die Firma, die jüngst von Samsung übernommen wurde, liefert das Lautsprecher-Zuhause für Microsofts Cortana. Der «Invoke» getaufte Zylinder soll im Herbst, rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft, Amazons Lautsprecher «Echo» und Googles Konkurrenzgerät «Home» angreifen. Im Hintergrund arbeiten Cortana, die Cloud-Plattform Azure und Microsofts Angebote für künstliche Intelligenz. Bereits 140 Millionen Menschen lassen sich laut Nadella von Cortana jeden Monat das Wetter vorhersagen, ihre Terminkalender verwalten, das Licht im Haus steuern oder die Musik abspielen.

Es geht um viel Geld und Invoke präsentierte den ersten Versuch, Cortana direkt in den Lebensraum der Menschen zu bringen. Der Computerriese HP wird ebenfalls Cortana-gesteuerte intelligente Hardware auf den Markt bringen, wurde am Mittwoch bekannt. Chip-Gigant Intel arbeitet fieberhaft an einer Referenzplattform für Cortana-Geräte, die von allen Anbietern genutzt werden kann. Das könnte das Potenzial haben, den Markt umzukrempeln. Als Intel einst eine Referenzplattform für PC-Motherboards einführte, um die kostengünstige Massenproduktion der Personal Computer zu fördern, überschwemmten schnell Billig-Rechner aus Asien den Markt. Das machte Microsofts Windows zum Marktführer und brachte Apple seinerzeit an den Rand des Ruins. Nadella will das mit den Assistenten wiederholen. Allerdings arbeiten auch Amazon und Google daran, ihre Software in Geräte möglichst vieler Anbieter zu bringen. Und Microsoft hat im Gegensatz zu Google und Apple keine eigene Mobilfunkplattform mehr, nach Windows auf dem Smartphone brutal gefloppt ist.

Die Ankündigung von Invoke und der HP-Kooperation kommt praktisch gleichzeitig mit der Vorstellung des ersten «Echo»-Lautsprechers von Amazon mit einem Bildschirm, auf dem Alexa zusätzliche Informationen einblenden kann. Außerdem wird Videotelefonie zwischen den Geräten möglich – eine Attacke auf Microsofts Skype. Digitale Assistenten gelten aber als der stärkste Wachstumsmarkt für künstliche Intelligenz. Mit Bots, kleinen automatisierten Programmen, werden Einkäufe getätigt, Reisen gebucht oder per Sprachbefehl der Kontostand abgerufen. Digitale Assistenten werden nach dem Willen von Amazon, Google und Microsoft Wohnzimmer und Kinderzimmer bevölkern und in Autos einziehen. Sie werden unsere Vorlieben und Gewohnheiten kennen und in Konsumchancen umsetzen. Onlinehändler Amazon weigert sich zwar, konkrete Absatzzahlen zu nennen, berichtet aber regelmäßig von «Verkaufsrekorden» seiner kleinen Lautsprecher. Die Zusammenarbeit mit Harman bringt für Microsoft einen großen Vorteil: Der oft als eher dünn kritisierte Klang der Amazon-Röhren dürfte für das Microsoft-Produkt kein Thema sein. Wo der Händler aus Seattle nur mit je einen Bass- und Mittel-Hochton-Treiber aufwartet, wirft Harman gleich drei davon für 360-Grad-Rundumsound ins Rennen. Der Preis steht allerdings noch nicht fest.

Die große Frage bleibt, wie weit die Anwender die Eindringlinge in ihre Privatsphäre am Ende wirklich akzeptieren werden. Google erntete zuletzt erheblichen Spott, als seine «Home»-Lautsprecher unaufgefordert Werbung ins Wohnzimmer spielten. Die Hamburger-Kette Burger King trieb den Spaß auf die Spitze, als sie einen TV-Spot schaltete, in dem einfach laut und deutlich gefragt wurde: «Ok, Google, was ist der Whopper-Burger?» Und der Sprachassistent las pflichtschuldig den Anfang des entsprechenden (und scheinbar zuvor von Burger King geglätteten) Wikipedia-Eintrags vor. Google fand das gar nicht witzig.

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