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Freitag, April 19, 2024

Internetcafés im Smartphone-Zeitalter: Eine Nische, die bleibt

Zur Jahrtausendwende gab es sie an jeder Ecke: Internetcafés. In Zeiten von Smartphones und WLAN scheint sie keiner mehr zu brauchen. Doch es gibt sie noch immer - wie funktioniert das?

Konzentriert blickt der junge Mann auf den Bildschirm. «Dreimal die Woche bin ich hier – oft für mehrere Stunden», sagt Joseph Lippok. Zuhause wartet ein voll ausgestattetes Büro auf den 32 Jahre alten Freiberufler. Doch er sitzt lieber hier, am Computer eines Internetcafés im Berliner Stadtteil Wedding. «Ich bin froh, wenn ich mal rauskomme», sagt er. Lippok könnte sich auch mit dem Laptop in ein normales Café mit drahtlosem Empfang (WLAN) setzen. «Ich will das Ding aber nicht ständig mitschleppen und gezwungen sein, etwas zum Trinken zu bestellen», erklärt er. Die Plätze vor allen anderen Computern um Lippok herum sind indes leer. Internet-Tarife für daheim sind so günstig wie nie, mit dem Smartphone ist der Online-Zugang von überall und zu jeder Zeit möglich. Wer braucht da noch ein Internetcafé? «Das Massenphänomen Internetcafé, als es die Läden an jeder Ecke gab – das hat sich erledigt», sagt dann auch Stephan Humer, Internetsoziologe an der Universität der Künste in Berlin. «Internet ist heute Alltag, dafür geht man nicht extra irgendwohin.» Dem Digitalverband Bitkom zufolge hat die Zahl der Internetcafés in Deutschland in den vergangenen Jahren rapide abgenommen. Jedoch: Für bestimmte Gruppen hat solch ein Ort durchaus noch Sinn und Zweck, wie Humer sagt. Etwa für Leute, die keinen Handyvertrag bekommen, weil sie keinen gemeldeten Wohnsitz haben oder nicht kreditwürdig sind. «Die brauchen diese Möglichkeit, sonst funktioniert das für sie nicht.»

Ähnliches berichtet Ghislain Simo, der Betreiber des Internetcafés in Berlin-Wedding. «Die Nachfrage ist schon noch da – schließlich hat nicht jeder einen Drucker oder Scanner zu Hause.» Auch viele Schüler der nahe gelegenen Schulen kämen zu ihm, etwa wenn sie eine Freistunde haben. Die Internet-Umsätze in seinem Café seien in den vergangenen Jahren stabil geblieben. Allerdings steigen die Kosten, zum Beispiel für die Miete. «Allein mit Internet kann ich kein Geschäft machen – da müsste ich mindestens das Doppelte verlangen», sagt Simo. 50 Cent kostet eine halbe Stunde derzeit. Simos Internetcafé ist deshalb auch ein Spätkauf, ein Laden, in dem es bis spät in die Nacht Getränke und Lebensmittel gibt. Zudem fungiert es als Paketshop für die Post. «Und ich betreibe einen kleinen Weinhandel», erzählt Simo. Ein anderes Internetcafé in Berlin-Neukölln hat schon ganz umgestellt und ist nur noch Spätkauf. «Warum soll ich 50 Cent für die halbe Stunde zahlen, wenn ich mit der Flatrate auf dem Handy den ganzen Monat Internet nutzen kann?», erklärt die Betreiberin den Grund für die Umstellung. Auf der Leuchtreklame vor dem Laden sind die Internet-Tarife von blauem Klebeband verdeckt.—pagebreak—

Die Kombination aus Internetcafé und einem anderen Geschäft sei typisch, heißt es bei der Berliner Industrie- und Handelskammer. Reine Online-Cafés seien die Ausnahme. Das erklärt die Zahl von 241 Internetcafés, die derzeit in der Hauptstadt registriert sind. Vergleichszahlen zu den Vorjahren gibt es nicht. Auch Bitkom hat keine genauen Zahlen, geht aber davon aus, dass es in Deutschland inzwischen deutlich weniger Internetcafés gibt als noch vor einigen Jahren. Experte Humer glaubt, dass für viele Nutzer auch das anonyme Surfen in einem Internetcafé interessant ist. «Dann bekommt daheim keiner mit, mit was ich mich im Internet beschäftige», erklärt er. Café-Betreiber Simo bemerkt das vor allem bei Schülern, die in seinem Laden unbeobachtet von den Eltern einen Film im Internet anschauen wollen. Mittelfristig würden Internetcafés deshalb nicht verschwinden, ist sich Humer sicher. «Es gibt eben immer noch Gruppen, die das brauchen.»

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