Videotelefonie im Homeoffice, Fernunterricht im Netz, Onlineshopping oder das Streaming von Spielfilmen und Serien: Spätestens mit der Corona-Pandemie wurde auch in Deutschland allen klar, wie wichtig eine gut ausgebaute Internet-Infrastruktur ist. Doch unzählige Haushalte in der Bundesrepublik sind nur äußerst schlecht oder gar nicht an Netz angeschlossen. Dies soll sich nun ändern – allerdings nur mit einer Mindestgeschwindigkeit von 10 Megabit pro Sekunde.
Der Bundesrat machte am Freitag den Weg frei für die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die den Bund zur «Universaldienstgewährleistung» verpflichtet. Das entsprechende Gesetz für Deutschland wurde bereits im vergangenen Dezember beschlossen. Überfällig war nun die konkrete Verordnung, in der die technischen Details festgelegt werden.
«Die Zustimmung im Bundesrat ist eine gute Nachricht für alle Menschen, die heute nur sehr schlecht versorgt sind», sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. «Das ist ein wichtiger Schritt für eine greifbare digitale Teilhabe.» Seine Behörde hatte im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die Mindestwerte festgelegt: 10 Mbit/s beim Herunterladen von Daten und 1,7 Mbit/s beim Hochladen. Die Latenz – also die Reaktionszeit – soll nicht höher als 150 Millisekunden sein.
Mit diesen Werten erhalten künftig auch Verbraucherinnen und Verbraucher in entlegenen Gebieten oder schlecht versorgten Stadtrandlagen ein halbwegs brauchbares Netz. Von den Gigabit-Geschwindigkeiten, die mit einem Glasfaseranschluss oder dem TV-Kabel möglich sind, können sie aber weiterhin nur träumen.
Die klaffende Lücke zwischen möglicher Höchstgeschwindigkeit und der von der Bundesnetzagentur festgelegten Mindestversorgung stieß dann auch insbesondere in den Flächenstaaten auf scharfe Kritik. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass in Niedersachsen und Bayern Landtagswahlen in Sicht sind und die Wählerinnen und Wähler die Qualität der digitalen Infrastruktur immer häufiger zu einem wichtigen Wahlkriterium machen.
Die beiden zuständigen Fachausschüsse im Bundesrat hatten deshalb deutlich höhere Ziele angepeilt. Der Verkehrsausschuss forderte mehrheitlich ein Tempo von 30,8 Megabit im Download – also mehr als dreimal so viel wie von der Bundesregierung beabsichtigt. Das Upload-Minimum soll von 1,7 auf 5,2 Megabit steigen. Der Verbraucherschutz-Ausschuss verlangte ähnlich hohe Werte.
Bei den Beratungen im Bundesrat traten dann am Freitag aber die Kritiker aus Niedersachsen und Bayern nicht mehr vor das Mikrofon, weil sich schon abgezeichnet hatte, dass sie sich mit ihren Forderungen nicht durchsetzen konnten. So blieb es dem baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) überlassen, die Kritik an der Verordnung vorzutragen. «Digitalisierung heute bedeutet Wohlstand morgen. Und dafür brauchen wir die notwendige Infrastruktur – Datenautobahnen, Glasfasernetze, neueste Mobilfunkstandards, gigabitfähige Internetanschlüsse und breitbandige Mobilfunkdienste», sagte der CDU-Politiker.
Die vorgelegten Werte für die Mindestversorgung nannte Strobl «unterambitioniert». Er zeigte sich aber zufrieden, dass die Bundesregierung kurz vor der Abstimmung im Bundesrat in Aussicht gestellt hatte, in absehbarer Zeit das Ziel der Mindestversorgung auf 15 Mbit/s hochzuschrauben. «Das ist wirklich ein aller, aller, aller unterster Standard, der hier festgeschrieben wird», sagte Strobl. Durch die Protokollerklärung habe die Bundesregierung aber nun selbst das klare Signal gegeben, dass hier noch deutlich Luft nach oben sei. Daher werde man der Verordnung auch zustimmen.
Der digitalpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Reinhard Brandl, wertete die Protokollerklärung als einen Erfolg für die Union: «Digitalminister Wissing musste auf den letzten Metern einsehen, dass sein Vorschlag für eine Mindest-Internetversorgung von 10 Mbit/s im Download in der heutigen Zeit ungenügend ist und er die Realität von Homeoffice-Nutzung, Homeschooling und üblicher Internetnutzung völlig verkannt hat».
Dampf ablassen konnten die Länder in einer Entschließung, die zusammen mit der Verordnung beschlossen wurde: Hierin kritisierte der Bundesrat, dass die Verordnung den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an «schnelles Internet» nicht gerecht werde. Zur gleichberechtigten Teilhabe am digitalen Leben sei es unabdingbar, dass jedem Haushalt in Deutschland die bestmögliche Versorgung zuteil werde – auch im ländlichen Raum.
In der Entschließung forderte die Länderkammer die Bundesregierung auf, die Mindestversorgung vor dem Hintergrund der stetig steigenden technischen Anforderungen an Internetzugangs- und Sprachtelekommunikationsdienste zügig weiterzuentwickeln. Erforderlich seien strengere Parameter und ein strafferes Verfahren zur Verpflichtung für die Unternehmen.
Die Vertreter der Bundesländer befürchten vor allem, dass in Mehrpersonenhaushalten die aktuellen Mindestversorgungsraten nicht ausreichen, um ruckelfrei im Homeoffice zu arbeiten oder ohne Störungen digitale Bildungsangebote online zu nutzen. Sie müssen nun darauf hoffen, dass die Bundesnetzagentur kontinuierlich nachbessert. Behördenchef Klaus Müller versprach am Freitag: «Die Festlegung ist ein Anfang. Der Wert wird jährlich überprüft und wird in den kommenden Jahren steigen.»
Der Digitalverband Bitkom zeigte sich enttäuscht: Durch die Mindeststandards werde der Einsatz geostationärer Satelliten für die Internet-Grundversorgung ausgeschlossen. «Satelliten-Internet ist etabliert, zuverlässig und wird zum Beispiel auch von der Bundeswehr genutzt.» Die Bandbreiten von Satelliten-Internet seien vielfach höher als das geforderte Minimum. «Einzig die Latenzen, die alltägliche Anwendungen nicht beeinträchtigen, können den Standard nicht erfüllen.» Der Satelliten-Ausschluss werde den Breitbandausbau insgesamt verlangsamen, weil knappe Baukapazitäten für die Erschließung abgelegener Standorte mit wenigen Nutzerinnen und Nutzern blockiert würden. (dpa)