Buchmessen, IFA, Gamescom – die Messebranche hält seit Jahrhunderten den wirtschaftlichen Entwicklungen stand. Das Geschäftsfeld ist hart umkämpft. Digitalisierung heißt die jüngste Herausforderung. Branchenkenner sehen Chancen in Onlinehandel und digitaler Vernetzung. Der Markt entwickelt sich nach Einschätzung des Messeexperten Manfred Kirchgeorg «leicht positiv stagnierend» – noch. Zwar sei Deutschland nach wie vor Weltmarktführer für Leitmessen. Aber: «Wir müssen vorsichtig sein und uns warm anziehen», so der Wissenschaftler von der Handelshochschule Leipzig (HHL). Bei einer wirtschaftlichen Rezession werde sich der Markt sortieren, ist er sich sicher. Zu den größten, gewinnbringend wirtschaftenden Messen zählt Kirchgeorg Frankfurt, Düsseldorf und München. 50 Millionen Euro Gewinn erzielte die Frankfurter Messe im Vorjahr, bei einem Umsatz von etwa 718 Millionen Euro. Hannover galt mit der IT-Messe Cebit und der Industrieschau Hannover Messe lange Zeit als einer der führenden Handelsplätze. Die Cebit wurde im vergangenen Jahr zwar eingestellt. Dennoch sieht sich Vorstandschef Jochen Köckler für die Zukunft gerüstet. Im Vorjahr erzielte das Unternehmen erstmals seit der Expo 2000 in einem geraden Jahr wieder einen leichten Gewinn von 600 000 Euro. Die geraden Jahre gelten für die Messen als schwache Jahre.
Die Deutsche Messe will künftig die Marke Cebit im Ausland nutzen. Der globale Markt rückt für die Messemacher stärker in den Fokus. China sei der wichtigste Auslandsmarkt mit Wachstumsraten, «von denen man in Europa nur träumen kann», sagt Köckler. Ein Risiko für die Branche sei die Tendenz einiger Länder hin zur protektionistischen Wirtschaftspolitik, so Köckler. «Der weltweit freie Handel ist Basis für erfolgreiche internationale Messen», betont er. Auch die Leipziger Messe setzt auf Veranstaltungen im Ausland, bleibt allerdings weiter auf Zuschüsse ihrer Gesellschafter – der Stadt Leipzig und dem Freistaat Sachsen – angewiesen. 2018 steuerten sie für das operative Geschäft 4,8 Millionen Euro bei. Dazu bewilligten sie zwei Millionen Euro für Investitionen. Martin Buhl-Wagner, Chef der Leipziger Messe, blickt zuversichtlich in die Zukunft: Durch Digitalisierung könne die jeweilige Zielgruppe konkret definiert und online direkt angesprochen werden. Die analoge Messe erzeuge Inhalte, welche dann im Netz genutzt werden, führt Buhl-Wagner aus. «Bei dem Zusammenkommen von Menschen passieren zum Glück Dinge, die sie allein mit ihrem Smartphone nicht erleben können», sagt Hannovers Messechef Köckler. Allerdings müsse das Messeerlebnis eben in die Reichweite sozialer Medien eingebettet sein. «Wir als Messemacher müssen die Chancen erkennen und nutzen.»
Der Messestandort in Leipzig veränderte sich besonders stark in den vergangenen Jahrzehnten: Obwohl die Mustermesse 1865 in Leipzig erfunden worden war, Leipzig in den 1920er Jahren als «Mutter aller Messen» galt, setzten der Messe die Reglementierungen der DDR zu. «Rein inhaltlich wird sie nicht wieder an diese solitäre Sichtbarkeit anknüpfen können», sagt Buhl-Wagner. Denn während der 40 Jahre DDR holten die Messeplätze im Westen auf, entwickelten neue Konzepte. Für die Friedliche Revolution spielte die Messe in Leipzig eine wichtige Rolle. «Leipzig wurde sehr bewusst als Plattform für politische Botschaften gewählt, weil jeder wusste, ARD, ZDF und andere Medien sind da», erklärt Buhl-Wagner. So kam es im Oktober 1989 zu Massendemonstrationen, die im West-Fernsehen beachtet wurden. Nach dem politischen Umbruch brach der Messemarkt ein: Im Herbst 1990 fand die letzte Universalmesse statt. Doch das Messewesen sollte bleiben: 1996 eröffnete ein neues Gelände vor den Toren Leipzigs.
Ein «Flaggschiff» der Leipziger Messe ist die Buchmesse im März. Zuletzt zählte der Veranstalter 286 000 Gäste. «Die Buchmesse ist ein Stadterlebnis», sagt Messeexperte Kirchgeorg. In Events liege die Zukunft des sich verändernden Messemarktes: Gäste wollten Bagger direkt im Tagebau auszuprobieren. Der Unterhalt von Messehallen verursache ohnehin nur dauerhafte Kosten. Günstiger und auf das jeweilige Thema abgestimmter seien zeitlich befristete Veranstaltungen an passenden Orten, so Kirchgeorg. Und er geht noch weiter: «Warum muss ich für eine Messe Eintritt zahlen?», fragt der Wissenschaftler. Gezielte Einladungen oder Angebote für einen Erlebnisurlaub mit Messebesuch hält er für zukunftsträchtig.