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Dienstag, April 16, 2024

Aussteller kritisieren CeBIT-Konzept

Die CeBIT konnte in diesem Jahr ein Plus bei Besuchern und Fläche verbuchen. Doch hinter vorgehaltener Hand kritisieren einige Aussteller das Konzept und die Messe-Führung.

Die CeBIT ist das Jagdrevier der Verkäufer. Sie stehen am Rand ihrer Stände und scannen die vorbeigehenden Besucher auf potenzielle Kaufinteressenten für Technologien ihrer Firmen ab. Sie haben leichteres Spiel als früher: Im Vergleich zum Rekordjahr 2001 schieben sich drei Viertel weniger Besucher durch die Hallen. Die CeBIT hat weniger Glamour als die Messe CES in Las Vegas Anfang Januar oder der Mobile World Congress in Barcelona zwei Wochen vorher. In Las Vegas sorgte dieses Jahr Daimler-Chef Dieter Zetsche für Aufsehen, der einen selbstfahrenden Konzeptwagen von Mercedes präsentierte. In Barcelona stellte Samsung seinen iPhone-Rivalen Galaxy S6 vor. Auf der CeBIT können sich auch treue Besucher kaum an eine große Ankündigung erinnern, die international Schlagzeilen gemacht hätte. Auch im IT-Branchenverband Bitkom hat man das Image-Problem der Messe erkannt. «Die CeBIT wird nie soviel Glamour wie die Messen in Las Vegas oder Barcelona haben», heißt es in Verbandskreisen. Und auch das Schrumpfen der vergangenen Jahre bereite Sorgen: «Wir haben immer wieder gesehen, wie Messen binnen drei Jahren verschwanden.» Etwa die Systems in München oder die Computermesse Comdex in Las Vegas. Vielleicht ist die aktuelle CeBIT aber auch genau die Messe, die viele Unternehmen wollen. «Für uns ist es eine extrem lohnende Veranstaltung. Wir sind sehr zufrieden, weil wir mit vielen Kunden in kurzer Zeit viele Gespräche führen können», sagt der Chef des deutschen Netzwerk Spezialisten Lancom, Ralf Koenzen. «Wir können festhalten, dass die CeBIT neue Kraft gewonnen hat», sagte auch Messechef Oliver Frese am letzten Messetag.

Bei der CeBIT hatten vor allem die großen Aussteller wie IBM und SAP Druck gemacht, die Besucherflut einzudämmen und zu einer «Business-Messe» von Profi zu Profi zu werden. In diesem Jahr sind 16 von 26 Messehallen belegt, eine mehr als 2014. Die Messe-Führung seien «alles aufrechte Leute, aber träge», kritisiert ein wichtiger Aussteller. Dass die Messe dem Land Niedersachsen und der Stadt Hannover gehöre, sei auch ein Grund dafür, das neue Themen nur zögerlich erschlossen würden. Die Deutsche Messe AG müsse aufpassen, nach den Smartphones nicht schon wieder den Anschluss an ein Zukunftsthema zu verpassen, sagte ein weiterer Aussteller und machte erneut die Eigentümerstruktur der Gesellschaft für Fehler bei der Themenauswahl verantwortlich. «Bei einer privatwirtschaftlichen Firma würde man ganz andere Sachen machen.» Dass Mercedes etwa mit seinem selbstfahrenden F015 in Las Vegas landete, sei eine «Bankrotterklärung» für die CeBIT-Macher. Das vernetzte Auto spielte kaum eine Rolle auf der CeBIT, obwohl es derzeit viel Gesprächsstoff und Orientierungsbedarf bietet. Zwar ließ Vodafone auf dem Messegelände die Reifen aufgemotzter Sportwagen quietschen. Doch damit wollte der Telekomkonzern nur das Tempo in seinem ausgebauten LTE-Mobilfunknetz illustrieren.

Einen Achtungserfolg erzielte die Messe mit dem Video-Auftritt des NSA-Whistleblowers Edward Snowden. Der ehemalige Geheimdienstmann hatte zuvor schon auch bei anderen Konferenzen per Video gesprochen. Doch vor dem CeBIT-Publikum ließ sich Snowden – auch dank geschickter Interviewführung – mehr Details entlocken als bei der Konkurrenz. Nach Auswertung der Analyse Firma Meltwater war Snowden das heißeste CeBIT-Thema im Netz.

Mitten in den ersten Tag der Messe platzte ein Bericht der «Wirtschaftswoche», wonach die CeBIT wieder mit der auf Industrie spezialisierten Hannover Messe zusammengelegt werden könnte, aus der sie vor rund 30 Jahren mal ausgegründet wurde. Das wurde sofort zurückgewiesen. «Wir werden noch sehr lange Zeit zwei eigenständige Messen zum Thema Digitalisierung und Industrie haben», sagt Messesprecher Hartwig von Sass. Beim Bitkom heißt es, das Zusammenlegen wäre schon räumlich unmöglich, weil die Hannover Messe nicht genug Platz lasse. «Das ist in keinem Ausstellerausschuss ein Thema», sagt Geschäftsführer Bernhard Rohleder. Achim Berg, Chef der arvato AG und Bitkom-Vizepräsident, sagt, die CeBIT eigne sich sehr, um die Themen «Internet der Dinge» und «Industrie 4.0» zu Schwerpunkten zu machen. «Außerdem könnte hier ein erfolgreicher Marktplatz für Startup-Unternehmen entstehen, die nach einem ersten erfolgreichen Start eine Anschlussfinanzierung suchen.»—pagebreak—

Die Startups sorgten bereits jetzt dafür, dass auch Technikfans auf ihre Kosten kamen. In der Halle des Startup-Wettbewerbs Code_n tummelten sich die Besucher an Ständen von 50 jungen Firmen. Organisator von Code_n ist die Software-Firma GFT, die dafür tief in die Tasche greift. «Schon okay, ist eine schöne Sache, man gibt das Geld ja sonst ständig für irgendwelchen unnützen Kram aus», sagt GFT-Chef Ulrich Dietz. Auch traditionelle CeBIT-Aussteller wie die Deutsche Telekom, SAP und Microsoft versuchten auf der Messe, abstrakte Digitalthemen wie das «Internet der Dinge» oder den Umgang mit großen Datenmengen («Big Data») anschaulich zu machen. So konnte man sehen, wie ein moderner Landwirt mit Hilfe der SAP-Datenbank «Hana» Daten aus der metergenauen Analyse der Böden mit Wetterprognosen und den Einsatzplänen der Landmaschinen in Echtzeit verbinden kann, um seine Äcker möglichst effizient und umweltschonend zu bewirtschaften.

Noch keine Angaben zur Anzahl der Fachbesucher gibt es vom Fachhandelszentrum «Planet Reseller.» Nach einem etwas verhaltenen Start am Montag waren aber vor allem am Dienstag und Mittwoch die Stände gut besucht. (mit Material der dpa)

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