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Donnerstag, April 18, 2024

Bundesbank: Handel bester Absatzmarkt für Geldfälscher

Geldfälschen war früher so etwas wie ein Handwerk. Heute kann jeder Blüten herstellen oder mit wenigen Klicks online kaufen. Das stellt Währungshüter vor neue Herausforderungen.

Auf den ersten Blick unterscheiden sich die beiden 50-Euro-Scheine kaum. Das glitzernde Hologramm auf der Vorderseite ist täuschend echt – das geben selbst Kenner zu. Doch in einem Fall ist es nachträglich aufgeklebt worden, der Schein ist einer von 46 567 «falschen Fuffzigern», die im vergangenen Jahr in Deutschland aus dem Verkehr gezogen wurden. «Fast jeder fünfte  falsche Fünfziger ist mit diesem imitierten Hologramm versehen, das über das Internet vertrieben wird», erklärt Rainer Elm, Leiter des Nationalen Analysezentrums der Bundesbank. Mit ein paar Klicks kann sich im Grunde jeder solche nachgemachten Sicherheitsmerkmale in dunklen Kanälen des Internets auf chinesischen Handelsplattformen besorgen und mit den Hologramm-Stickern billige Farbkopien zu vermeintlich echten Geldscheinen veredeln. «Das Hologramm hat in seinem Fälschungsschutz gelitten», konstatiert Elm. Mancher Kriminelle bestellt sich online auch gleich ganze Bündel von Falschnoten. Bei einer Razzia im November durchsuchten Ermittler in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen zahlreiche Wohnungen nach 20- und 50 Euro-Fälschungen. Das Bundeskriminalamt (BKA) stellte fest: Die in Italien gedruckten Scheine seien «von guter Qualität und im üblichen Bargeldverkehr nur schwer als Blüten zu erkennen». Der schwunghafte Handel über das Internet stellt Währungshüter vor neue Herausforderungen. «Die Basis derer, die Falschgeld verbreiten, hat sich dadurch immens vergrößert», sagt Elm. «Vorher hatten wir es vor allem mit bandenmäßigen Strukturen zu tun. Heute kann im Grunde jeder Falschgeld in Umlauf bringen.» Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele warnt: «Geldfälschen und Falschgeld in Umlauf bringen ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein hochbestrafter Straftatbestand.»

Die jüngsten Zahlen sprechen für sich: Nie seit Einführung des Euro-Bargeldes 2002 wurden in Deutschland so viele Blüten entdeckt wie 2015, insgesamt 95.357. Der Schaden schnellte auf 4,4 Millionen Euro – die dritthöchste Summe seit 2002. Auch weltweit gab es einen Negativrekord: 899.000 gefälschte Scheine zählte die Europäische Zentralbank (EZB) 2015. Das waren gut 60.000 mehr als ein Jahr zuvor und fast 40.000 mehr als beim bisherigen Höchststand 2009 (860.000). Gesamtschaden: Gut 39 Millionen Euro. Meist bleibt der Handel auf dem Schaden sitzen, wenn Verkäufer den Schwindel übersehen und der Betrug erst beim Einzahlen des Geldes bei der Bank auffällt. Für Falschgeld gibt es keinen Ersatz. Nur 10 bis 15 Prozent der Fälschungen fallen nach Bundesbank-Angaben an den Ladenkassen auf. «Gastronomie und Einzelhandel sind die besten Absatzmärkte für Geldfälscher», sagt Elm. «Das Personal sollte Schulungsangebote der Bundesbank stärker nutzen.» Denn die meisten Fälschungen seien leicht zu erkennen, sagt der Experte.

Dennoch gelingt es Fälschern und Trickbetrügern immer wieder, auch plumpe Fälschungen unters Volk zu bringen: Etwa die Farbkopie eines Fünfers, bei dem das Bild auf der Rückseite auf dem Kopf steht. Oder einen 300-Euro-Schein, den es in echt gar nicht gibt, weil ein Mann in der Nähe des Stuttgarter Hauptbahnhofs einem Passanten gutgläubig einen gerollten Hunderter in zwei Fünfziger tauschte, der sich beim Entrollen als 300er-Blüte herausstellte. Auch Souvenir-Noten mit kyrillischen Schriftzeichen gehen oft als echte Scheine durch. Im Wettlauf um sicheres Bargeld haben Europas Währungshüter im November vorgelegt. Der neue Zwanzig-Euro-Schein hat ein kleines «Porträtfenster», das durchsichtig wird, wenn man die Banknote gegen das Licht hält. Das gab es bei einer Banknote auf Papierbasis noch nie – schon gar nicht bei einer Menge von 4,3 Milliarden Stück. «Erste Fälschungen des neuen Zwanzigers sind in Spanien aufgetaucht, aber alles einfache Farbkopien», schildert Elm. «Wir sind realistisch: Irgendwann wird einer versuchen, das Porträtfenster zu fälschen und es auch in geringer Stückzahl einigermaßen hinkriegen.» Der Wettlauf zwischen Währungshütern und Geldfälschern geht weiter. Elm betont: «Wir können nicht jeden Tag eine neue Banknote in Umlauf bringen, aber wir arbeiten jeden Tag daran, die Banknoten zu verbessern.»

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