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Mittwoch, April 24, 2024

Fusions-Boom: Das Übernahmekarussell läuft heiß

Übernahmen steuern in den USA auf ein Rekordniveau zu - ein Mega-Deal jagt den nächsten. Der starke Dollar schickt US-Investoren auch in Europa mit viel Kaufkraft auf Shoppingtour.

Die Zinsen sind niedrig, die Firmenkassen gefüllt – und die Aktionäre wollen Action sehen: Die Kombination aus billigem Geld, boomenden Börsen und Wachstumsdruck heizt das Fusionsfieber in den USA an. Dank des starken Dollar und der hohen Geldreserven im Ausland steigen auch die Zukäufe der US-Investoren in Europa kräftig. Weltweit rollt eine Übernahmewelle wie seit 2007 – am Vorabend der Finanzkrise – nicht mehr. Ist das ein gutes oder schlechtes Zeichen? In den Vereinigten Staaten vergeht derzeit kaum eine Woche ohne Großübernahme. Der Medienriese Charter Communications will Time Warner Cable für über 50 Milliarden Dollar schlucken. Heinz Ketchup und Kraft Foods feiern unter Mithilfe von Starinvestor Warren Buffett Elefantenhochzeit. Im Pharma- und Krankenversicherungsmarkt gilt das Motto «Fressen oder gefressen werden» – Milliarden-Deals sind an der Tagesordnung. In der Tech- oder Energiebranche sieht es ähnlich aus. So prognostiziert auch HP-CEO Meg Whitman eine Konsolidierung in der IT-Branche. «Alle 10 bis 15 Jahre verschieben sich in der Branche die tektonischen Platten. Danach hat sich die Industrie neu aufgestellt», betonte Whitman kürzlich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg.  «Wir sehen starke Aktivität in vielen Sektoren», sagt Experte Tom McGee von der Beratungsfirma Deloitte. Anders ausgedrückt: Die große Stunde der Geschäftemacher hat geschlagen. Der Zugang zu günstiger Finanzierung, die steigenden Aktienkurse und der Druck, Investoren Wachstum zu liefern, würden Übernahmen und Fusionen antreiben, so McGee. «2015 dürfte das beste Jahr seit der Finanzkrise werden», meint auch der Kollege Martyn Curragh von PricewaterhouseCoopers.

Der Boom ist bereits voll im Gange. Dem Datendienstleister Dealogic zufolge haben die USA in der ersten Jahreshälfte 2015 schon die Billionen-Dollar-Marke bei Fusionen und Übernahmen geknackt. Das habe es weltweit noch nie gegeben. 21 «Mega-Deals», Firmenkäufe im Wert von mehr als zehn Milliarden Dollar, in sechs Monaten – das ist ein neuer Höchststand. Im zweiten Quartal erreichte das Übernahme-Volumen den Rekordwert von 635 Milliarden Dollar. Der Shoppingrausch macht nicht an den Landesgrenzen halt. Der starke Dollar und die hohen Barvorräte, die US-Konzerne – nicht zuletzt, um Steuern zu sparen – im Ausland halten, machen sich auch in Europa bemerkbar. 2015 haben US-Investoren hier bereits mehr Übernahmeziele geschluckt als im gesamten Vorjahr. Eine Analyse zum Thema, die die US-Großbank JPMorgan jüngst an ihren Klienten verschickte, trägt den Titel «Bereit für die Wiederauferstehung?» und kündet von einer «neuen Ära» der grenzüberschreitenden Firmenaufkäufe.—pagebreak—

Dabei ist der Nutzen der umstritten. Dem BWL-Lehrbuch nach wirken Fusionen und Übernahmen zwar generell kostensenkend, weil Kapazitäten zusammengelegt und so Sparpotenziale ausgeschöpft werden können. Doch es gibt auch Studien, die zeigen, dass die Erwartungen häufig überzogen sind. Bei einer Deloitte-Umfrage unter US-Managern gaben fast 90 Prozent der Teilnehmer an, dass die Deals in der Regel nicht zu den erhofften Kapitalrückflüssen führen. Eine Gruppe, die meist mit am Rad dreht, wenn das Übernahmekarussell rotiert, profitiert aber fast immer: die Investmentbanken. Allein das in der Fusionsberatung führende Wall-Street-Haus Goldman Sachs hatte in den USA im ersten Halbjahr 2015 bei Übernahmen im Wert von insgesamt knapp 435 Milliarden Dollar die Finger im Spiel und verdiente gut an den Gebühren. Dahinter folgten die US-Konkurrenten Morgan Stanley mit 377 und JPMorgan mit 320 Milliarden Dollar.

Ökonomen sehen starke Anstiege von Fusionen und Übernahmen häufig als Anzeichen dafür, dass das Geld zu locker sitzt und Unternehmen an ihre Wachstumsgrenzen stoßen. Ein Déjà-vu der Exzesse von 2007, die im Rückblick wie eine letzte große Party vor dem Kollaps wirken, gibt es derzeit aber nicht. Damals waren es vor allem die mit Fremdkapital – also geliehenem Geld  hochgerüsteten Finanzinvestoren der Private-Equity-Branche, die sich mit Mega-Deals übertrafen. Diese Firmenjäger haben nun aber nicht mehr so viel zu melden. (mit Material der dpa)

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