Vor dem offiziellen Abschluss des Twitter-Kaufs versucht Elon Musk, Werbekunden und Nutzer zu beruhigen, die unter ihm eine Verrohung des Tons beim Online-Netzwerks befürchten. Twitter dürfe kein «Ort des Grauens» werden, wo ohne Konsequenzen alles gesagt werden könne, schrieb Musk in einem offenen Brief an Anzeigenkunden. Er weckte solche Sorgen selbst mit Kritik, bei Twitter werde die Meinungsfreiheit zu stark eingeschränkt. Die Plattform müsse «warm und einladend für alle» sein, schrieb Musk nun.
Offiziell abgeschlossen und von Twitters Seite bestätigt ist der rund 44 Milliarden schwere Deal noch nicht. Aber dass Musk sich bereits ins Management einmischt und in der Vergangenheitsform davon spricht, Twitter gekauft zu haben, deutet auf einen unmittelbar bevorstehenden Vollzug hin. Bis Freitag um 17.00 Uhr Ortszeit (23.00 Uhr MESZ) muss die Transaktion durch sein, sonst landet der seit Monaten strittige Deal doch noch vor Gericht. Diese Frist wurde richterlich verhängt, um die Übernahme nach monatelangem Hickhack endlich zu regeln.
Eigentlich hatte sich Musk mit Twitter schon im April auf den Kauf geeinigt. Im Juli erklärte er die Vereinbarung jedoch wegen angeblicher Falschangaben des Unternehmens zu Fake-Accounts für ungültig. Twitter klagte auf Einhaltung des Kaufvertrags und es wurde ein Gerichtsprozess zur Klärung des Streits angesetzt. Anfang Oktober erneuerte Musk sein Kaufangebot dann überraschend wieder, stellte jedoch die Bedingung, dass das Gerichtsverfahren beigelegt wird.
Dass Musk sich mit seiner neuen Rolle als Twitter-Besitzer abgefunden hat, zeichnet sich schon seit Tagen ab. Bereits am Mittwoch tauchte er in der Konzernzentrale in San Francisco auf und bezeichnet sich in seinem Twitter-Profil nun als «Chief Twit». Am Freitag will er sich laut US-Medien in größerem Stil den Beschäftigten dort vorstellen. Das dürfte kein leichter Auftritt für ihn werden, nachdem Musk monatelang öffentliche Kritik am Unternehmen und dessen Führung übte und zuletzt Berichte über einen großen Stellenabbau für Verunsicherung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgten. Informationen, wonach er drei Viertel der Beschäftigten rauswerfen wolle, soll er diese Woche in der Zentrale zurückgewiesen haben.
Er habe Twitter nicht gekauft, weil es einfach sein würde oder um mehr Geld zu machen, schrieb Musk am Donnerstag. «Ich tat es, um der Menschheit zu helfen, die ich liebe», verkündete er. Und er gehe die Aufgabe mit Demut an – und im Bewusstsein, dass er trotz aller Bemühungen scheitern könne. Musk begründete den Kauf stets mit dem Anliegen, die Redefreiheit zu stärken. Auch sagte Musk, er würde den nach lobenden Worten für seine gewalttätigen Anhänger verbannten Ex-Präsidenten Donald Trump wieder zurück auf die Plattform lassen.
Kritiker sind entsprechend besorgt, dass der Eigentümerwechsel zu weniger moderierten Inhalten auf dem Netzwerk führt und so Hass und Hetze Vorschub leistet. Das könnte jedoch Anzeigenkunden abschrecken. Und Werbeeinnahmen machen praktisch das gesamte Twitter-Geschäft aus. Der Online-Dienst versucht seit Jahren, Hassrede und Beleidigungen auf der Plattform einzudämmen. EU-Kommissar Thierry Breton sagte Musk bereits zu, dass sich Twitter an alle europäischen Vorgaben zum Kampf gegen Hass und Hetze im Netz halten werde. (dpa)