Lange wurde gestritten, dann ging es doch relativ schnell. Die Störerhaftung ist demnächst aus der Welt – oder mit anderen Worten: Wer sein privates WLAN anderen Usern zu Verfügung stellt, kann nicht mehr für deren Verhalten im Netz verantwortlich gemacht werden. Der Einigung von Union und SPD war ein zähes Ringen vorausgegangen. Doch nun ist der Weg zu offenen Hotspots in Deutschland frei. Viele Netzpolitiker, die IT-Branche aber vor allem Betreiber von Cafés und Restaurants atmen auf. Das Aus der «unsäglichen» Störerhaftung sei längst überfällig, erklärte der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) und sprach von einem «lange erwarteten Befreiungsschlag». «Es war mehr als überfällig, ein Konstrukt zu beseitigen, das in der Vergangenheit zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit geführt hat», erklärte der netzpolitischer Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz. Und Oliver Süme vom Verband der Internetwirtschaft (eco) begrüßte die «überaus gute Nachricht», «denn jahrelang war Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eine echte Hotspot-Wüste.»
Aber worum geht es genau? Bislang mussten Anbieter eines privaten WLAN für das Surfverhalten Dritter haften – ob das der Gast im der Kneipe ist oder der Nachbar, der das Internet mitnutzt und Filme illegal runterlädt. Um nicht in dieser Haftungsfalle zu tappen, boten viele Cafés und andere Hotspot-Betreiber den Zugang nur mit einem Passwörter verschlüsselt an und wiesen auf Vorschaltseiten auf die bestehende Rechtslage hin. Wirklich offene Netze waren rar und Deutschland fiel im internationalen Vergleich deutlich zurück. «Das erste, was unseren Gästen aus dem Ausland auffällt, ist unsere schlechte Internetleistung und wie selten es in hierzulande freie WLAN-Netze gibt», sagt etwa Tobias Schwarz vom Café St. Oberholz in Berlin-Mitte. «Die bisherige Gesetzeslage mit der Störerhaftung ist völlig absurd und gibt es so nur in Deutschland.» Das Oberholz, zu dem auch ein Coworking-Space gehört, gilt als eine Art Wohnzimmer der digitalen Boheme und Treffpunkt der Start-up-Szene. Doch immer wieder luden Besucher auch illegale Daten aus dem Netz und die Betreiber wurden rechtlich zur Verantwortung gezogen – was ziemlich teuer wurde: «Über die Jahre hinweg ging das in den fünfstelligen Bereich», sagte Schwarz.
Während die Kunden im Coworking-Space weiterhin mit einem Hochleistungs-Internet versorgt werden, kommt das Netz im Café inzwischen über einen externen Provider, für den andere Haftungsbedingungen gelten. Damit ist das Oberholz-Team zwar aus der Verantwortung raus, aber die Internetversorgung ist komplizierter und qualitativ schlechter. Damit scheint es bald vorbei zu sein: «Ohne Störerhaftung könnten wir künftig all unseren Kunden ein wesentlich leistungsstärkeres Internet anbieten – und das bequemer, indem sie einfach online gehen», sagte Schwarz. Auch wenn der Koalitions-Beschluss von allen Seiten begrüßt wird, der Einigung war ein zäher Streit vorausgegangen. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll schließlich zur Eile gemahnt haben. Neuen Druck hatte im März ein Gutachten des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof gebracht, wonach Anbieter eines WLANs in Bars oder Hotels nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wenn ihre Kunden illegal Dateien herunterladen. Das habe der Debatte eine neue Richtung gegeben, sagte CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek. Schlussendlich konnten sich die Netzpolitiker in den Koalitionsparteien durchsetzen und die Bedenken von Innenpolitikern und aus dem Wirtschaftsministerium aus dem Weg räumen.
Und wie geht es nun weiter? Schon in der nächsten Sitzungswoche sollen die Änderungsanträge im Parlament beschlossen werden. Das Gesetz könnte damit bereits ab Herbst in Kraft treten.