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Donnerstag, April 18, 2024

Etail: Zunehmende Konkurrenz aus dem Ausland

Beim Online-Handel verlieren Grenzen zunehmend an Bedeutung. Für viele deutsche Händler könnte die Konkurrenz aus dem Ausland zur Bedrohung werden.

Egal ob trendige Mode aus London oder Sonderangebote der Pariser Kaufhauskette Galeries Lafayette: Wer ein ganz klein wenig abenteuerlustig ist, kann heute im Ausland shoppen, ohne das eigene Heim zu verlassen. Denn der Online-Händler in Großbritannien, Frankreich oder den USA ist – wie die deutschen Händler –  nur einen Mausklick entfernt. Experten erwarten, dass der grenzüberschreitende Shopping-Bummel in den nächsten Jahren deutlich beliebter werden wird. Denn der Verbraucher kann dadurch nicht nur mit mehr Auswahl, sondern auch mit zusätzlichen Schnäppchen rechnen. «Im Jahr 2018 werden in Europa voraussichtlich schon über 20 Prozent des Online-Umsatzes auf grenzüberschreitende Einkäufe entfallen», glaubt der E-Commerce Experte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein. Für den Verbraucher werde das vor allem Vorteile haben. «Die zusätzliche Konkurrenz aus dem Ausland wird ihm nicht nur eine größere Auswahl bieten, sondern sicher auch die Möglichkeit, das eine oder andere Schnäppchen zu machen.» Die EU-Kommission ist bereits dabei, die noch bestehenden Hindernisse für den Einkauf jenseits der Grenze zu beseitigen. Und auch das vom europäische E-Commerce Dachverband Emota vor wenigen Tagen unter dem Namen «European Trustmark» präsentierte neue europäische Gütesiegel für Onlineshops dürfte dem grenzüberschreitenden Handel zusätzliche Impulse geben. Denn Vertrauen spielt eine Schlüsselrolle wenn es ums Einkaufen jenseits der Grenzen geht. «Als Verbraucher hat man bei einer Bestellung im Ausland manchmal ein komisches Gefühl», weiß Lars Hofacker vom Kölner Handelsforschungsinstitut EHI, das bei der Vergabe des neuen Gütesiegels mitwirkt. «Aber wenn es den Unternehmen gelingt, diese Ängste etwa mit einem Garantiesiegel zu zerstreuen, eine schnelle Lieferung und ein funktionierendes Retouren-Management hinzubekommen, könnte sich das rasch ändern.»

Was die Kunden freut, könnte allerdings für viele deutsche Händler zum Problem werden. Der Großteil von ihnen sei kaum gerüstet für die hoch professionelle Konkurrenz vor allem aus Großbritannien, glaubt Heinemann. «Die britischen Unternehmen sehen in ihrem Online-Shop den Flagship-Store und präsentieren dort ihr komplettes Angebot. Viele deutsche Einzelhändler bieten dagegen im Internet noch immer nur ein Rumpfsortiment an. Auch ansonsten wird zu oft gekleckert, statt zu klotzen», klagt er. Vor allem britische Online-Anbieter warten aber gar nicht mehr darauf, dass der Kunde zu ihnen kommt. Trendsetter wie die Modehändler Top-Shop oder Asos oder der Haushaltsgerätespezialist AO sind längst mit deutschen Websites auf dem Markt. AO hat sogar Millionen in die Hand genommen und in ein eigenes Logistikzentrum und einen Lieferservice investiert, um in Deutschland Fuß zu fassen.

Der geschäftsführende Direktor von AO Deutschland, Kevin Monk, macht keinen Hehl daraus, dass er den deutschen Markt kräftig aufmischen will. Die Situation in der Bundesrepublik gleiche der in Großbritannien vor fünf Jahren. Damals habe der Online-Handel die Spielregeln im britischen Handel drastisch verändert und es AO ermöglicht, sich gegen große, etablierte Händler durchzusetzen. Dies könne auch in Deutschland gelingen, glaubt er. Punkten will der Online Händler vor allem mit einer in Deutschland ungewohnten Service-Qualität. Hier liege in Deutschland noch vieles im Argen meint Monk. «Der deutschen Kunde bekommt online nicht das Service-Level, dass er verdient.» Die Wachstumspläne sind ehrgeizig. Heute hat AO rund 300 Mitarbeiter in Deutschland. In drei bis fünf Jahren können es 2.500 sein, meint Monk. Für den Handelsexperten Heinemann steht fest: «Die deutschen Händler müssen jetzt richtig Gas geben, sonst werden sie massive Umsätze an ausländische Händler verlieren.» Der Experte verweist auf das Beispiel Österreich, wo bereits heute 50 Prozent des Online-Umsatzes im Handel auf Importe entfalle. «Das ist ein Schreckensszenario.» (dpa)

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