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Freitag, März 29, 2024

DLD: Scharfe Kritik an Tech-Riesen

Auf der Tech-Konferenz DLD, die einst von Begeisterung für das Silicon Valley geprägt war, trat in diesem Jahr tiefgreifendes Misstrauen gegenüber den Technologieriesen zutage.

Kapitalismuskritik und eine klare Warnung: Das Streben nach Gewinn und Wachstum hat die Welt an den Rand des Abgrunds geführt, sagt Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus auf der Bühne der Innovationskonferenz DLD in München. «Es ist eine tickende Zeitbombe, sozial, politisch, wirtschaftlich. Es kann so nicht weitergehen.» Auf der Konferenz, die einst von Begeisterung für das Silicon Valley geprägt war, trat in diesem Jahr tiefgreifendes Misstrauen gegenüber den Technologieriesen zutage. So warnte der CDU-Europapolitiker Axel Voss, Europa könne zur «Digital-Kolonie» Chinas und der USA verkommen. Yunus kritisierte, alle wüssten, dass es für ein Umsteuern fast zu spät sei und doch machten alle weiter wie bisher. «Das ist enorm frustrierend.» Verantwortung dafür tragen aus Sicht von Yunus vor allem die Mächtigen in Politik und Wirtschaft – also auch diejenigen, die sich einmal im Jahr kurz vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos in München auf Einladung des Medienunternehmens Burda in der bayerischen Hauptstadt treffen.

Doch nicht nur Yunus hielt den Teilnehmern einen Spiegel vor. Die philippinische Journalistin Maria Ressa bezichtigte Netzwerke wie Facebook, ihre Plattformen förderten den Aufstieg autoritärer Politiker. Ressa berichtet über Menschenrechtsverletzungen im sogenannten Anti-Drogen-Krieg der philippinischen Regierung. Sie wurde in den vergangenen Jahren festgenommen und bedroht. Facebook gebe Regimekritikern zwar auch die Möglichkeit, ihre Botschaften zu veröffentlichen. Aber: «Wut und Hass verbreiten sich schneller.» Diese Einschätzung unterstützte der US-Forscher Sinan Aral, der ein umfassendes Archiv von Twitter-Beiträgen ausgewertet hatte. Darüber, dass Technologie jede Mengen Chancen bietet, herrschte Einigkeit. So eröffneten Entwicklungen wie Quantencomputer der Menschheit nach Ansicht von Merck-Chef Stefan Oschmann Chancen für beispiellosen Fortschritt. Doch die Aufgaben, die dafür gelöst werden müssten, seien ebenso enorm, sagte der Chef des Darmstädter Pharma- und Technologiekonzerns. Das betreffe die technischen Probleme, den Energieverbrauch und nicht zuletzt ethische Fragen, für die es bisher keine eindeutigen Antworten gebe. «Wir müssen die Folgen neuer technischer Lösungen diskutieren», sagte Oschmann. Es brauche einen neuen Zugang, um neue Technologien zu dem zu machen, was sie sein sollten: keine Bedrohungen, sondern Werkzeuge.

Die Menschen sollten Eigentümer ihrer Daten sein – und heutige Schwergewichte, die die Infrastruktur kontrollieren, müssten aufgespalten werden, sagte der Piraten-Politiker und Mitgründer der Website Pirate Bay, Peter Sunde. Er beklagte die Naivität der Web-Pioniere, die eine utopische Vorstellung von einer freien globalen Netz-Community gehabt hätten. In Wirklichkeit habe sich herausgestellt, dass das Internet dann von denen kontrolliert werde, die über Infrastruktur verfügten. EU-Kommissar Thierry Breton versprach in München, er werde sich mit Macht für die Interessen der europäischen Technologieunternehmen einsetzen. «Denn schließlich geht es um die Zukunft Europas.» Die Computerwissenschaftlerin Joy Buolamwini warnte, Diskriminierung und Rassismus im Alltag spiegelten sich auch in künstlicher Intelligenz wider – und könnten bestehende Vorurteile verfestigen. Das sei aus verschiedenen Gründen eine Gefahr. «Zusammen mit meinen Kollegen wollte ich herausfinden: Wie gut können Services wie IBM, Microsoft oder Face++ das Geschlecht eines Gesichts erraten», sagte Buolamwini in München. Dabei sei herausgekommen: Am schlechtesten funktionieren die Systeme bei schwarzen Frauen. Es gebe Anbieter, die ihre Fähigkeiten Behörden zur Verfügung stellen, um bestimmte ethnische Gruppen in Videos zu identifizieren. Auch das könne Rassismus fördern, sagte Buolamwini.

Wenn einem die ganzen Warnungen noch nicht reichen sollten, müsse man es auf eine Frage reduzieren, sagte Yunus: «Was für ein Leben wünscht ihr euch für eure Enkel?» Doch es passiere nichts. «Unsere Enkel werden nicht das Leben leben können, das wir kennen.» Neben den katastrophalen Folgen der Erderwärmung gelte das auch für die soziale Ungerechtigkeit weltweit. Yunus ist Gründer der Bank Grameen, die Mikrokredite an meist arme Frauen vergibt. Dafür bekam der Wirtschaftsforscher 2006 den Friedensnobelpreis. Die jährlich vom Medienkonzern Burda veranstaltete DLD-Konferenz (Digital Life Design) will eine Brücke zwischen Technologie, Wirtschaft und Kultur schlagen. Zu den zentralen Themen gehören in diesem Jahr der Klimawandel, künstliche Intelligenz und Quantencomputer. Das Motto ist diesmal «What are you adding?» – etwa: «Was bringst Du ein?». Die Frage soll zur aktiveren Beteiligung am aktuellen Wandel durch die Digitalisierung animieren. Das diesjährige Motto sei ihm zunächst fast ein bisschen aggressiv vorgekommen, sagte der Chef der Burda Media Group, Paul-Bernhard Kallen, bei der Eröffnung der seit Jahren auch weltweit beachteten Veranstaltung am Samstag. Doch da man über Gefahren für unsere Demokratien sprechen müsse, sei das Motto genau richtig. Es gehe darum, was jeder tun könne. Das gelte für viele der großen Probleme, egal ob für den enormen Hass in sozialen Netzwerken oder den Klimawandel. (dpa)

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