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Freitag, April 19, 2024

Chaos um geplante Schuldigitalisierung

Die Politik will digitale Technik in deutsche Schulen bringen. Kurz bevor es losgehen soll, bricht Chaos aus und das Projekt droht zu scheitern.

Seit Jahren ringt die Politik darum, wie die Schulen in Deutschland flächendeckend zu sinnvollem Unterricht mit digitaler Technik gebracht werden können. Kurz bevor es losgehen soll, bricht Chaos aus und das Projekt droht zu scheitern. Ein Überblick:

Was ist bisher geschehen? 2016 kündigte die damalige Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) die Schuldigitalisierung in der Bild am Sonntag an: «Schülerinnen und Schüler müssen heute auch digital lernen und arbeiten können, statt nur zu daddeln. Dafür brauchen wir einen Digital-Pakt zwischen Bund und Ländern.» Es folgten Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, Stillstand, eine Bundestagswahl mit langer Regierungsbildung, Verhandlungen zwischen Union und SPD für den Koalitionsvertrag sowie erneut zwischen Bund und Ländern und schließlich zwischen schwarz-roter Koalition und FDP/Grünen im Bund.

Wie ist der Stand der Dinge heute? Die Regierung und alle Fraktionen im Bundestag – außer der AfD – wollen das Grundgesetz ändern, so dass der Bund innerhalb der nächsten fünf Jahre fünf Milliarden Euro in die Schuldigitalisierung stecken darf. Am vergangenen Freitag gab es dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Die Bildungsministerien von Bund und Ländern haben zudem den Entwurf einer Vereinbarung ausgehandelt, die beschreibt, welches Geld in welche Maßnahmen fließen soll.

Kann der bisherige Fahrplan eingehalten werden? Dass die Schuldigitalisierung in geplanter Form Anfang 2019 starten kann, glaubt kaum noch jemand. Nachdem Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen am Wochenende klargestellt haben, dass sie bei der Grundgesetzänderung nicht mitmachen wollen und erstmal der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag eingeschaltet werden soll, kommen immer mehr Länder mit Kritik aus der Defensive. Und ob die Bund-Länder-Vereinbarung wie geplant an diesem Donnerstag bei einer Sitzung der Kultusministerkonferenz unterzeichnet wird, ist auch noch fraglich.

An was stören sich die ablehnenden Länder vor allem? Dass im Bundestag quasi in letzter Minute ein Passus eingefügt wurde zur «Zusätzlichkeit» der Bundesmittel. «Zusätzlichkeit» heißt, dass die Länder mindestens die Hälfte der öffentlichen Investitionen selbst tragen sollen. Für die fünf Milliarden für die Schulen würde dies allerdings gar nicht zu zutreffen. Denn die Zusätzlichkeit würde erst ab 2020 gelten, und der Beschluss über die Bildungsmilliarden könnte schon 2019 fallen. Die geplante Grundgesetzänderung bezieht sich aber nicht nur auf die Schuldigitalisierung, sondern auch auf andere Bundeshilfe für die Länder, etwa beim Wohnungsbau.

Was stört manche Länder noch? Dass der Bund auch für die Qualität der Schulen mitzuständig werden soll – unter anderem für die Weiterbildung von Lehrern. Grundsätzlich wollen diese Länder für Bildung zuständig bleiben, ohne sich vom Bund reinreden zu lassen. Deutlich wurde NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Montag): Dank des Bildungsföderalismus sei es Ländern wie Bayern und Baden-Württemberg möglich gewesen, linken schulpolitischen Ideologien zu widerstehen und ihr leistungsfähiges System zu behalten, urteilte er.

Was ist Schuldigitalisierung? Die Ausstattung der Schulen mit W-LAN, Tablets oder Whiteboards zum Beispiel – und sinnvolle pädagogische Anwendungen. An Schulen, an denen schon so unterrichtet wird, kann man sehen, dass Lehrer und Schüler mit Tablets mit gemeinsam genutzten Programmen sich schnell Inhalte erarbeiten können, dabei diskutieren, klasseninterne Umfragen und spielerische Zugänge zum Stoff etwa per Quiz einbauen können – oder sich bei Kurvendiskussionen in Mathe nicht lange mit Rechenwegen aufhalten, sondern Ergebnisse diskutieren.

Kann das Geld des Bundes auch ohne Grundgesetzänderung fließen? Das sagen die ablehnenden Ländern. Als Variante gilt ein bestehender Grundgesetz-Artikel: Demnach können Bund und Länder bei Planung, Errichtung und Betrieb von informationstechnischen Systemen zusammenwirken.

Was könnte im Bundesrat passieren? In seiner letzten Sitzung vor Weihnachten könnte der Vermittlungsausschuss angerufen werden. Möglicher Ablauf: Eines oder mehrere Länder stellen diesen Antrag. Im Bundesrat, in dem alle Länder zusammen 69 Stimmen haben, muss dafür eine absolute Mehrheit von mindestens 35 Stimmen erreicht werden. Dann kommt das Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat. Wenn der Bundesrat den Vermittlungsausschuss nicht anruft, wird danach über die Grundgesetzänderung abgestimmt. Diese bräuchte eine Zwei-Drittel-Mehrheit von 46 Stimmen. Alleine die fünf ersten ablehnenden Länder können diese Mehrheit aber verhindern. Dann kann aber immer noch die Bundesregierung oder der Bundestag den Vermittlungsausschuss anrufen. Wenn ein Vermittlungsverfahren kommt, kann das Gesetz rein zeitlich nicht mehr wie geplant bis 1. Januar in Kraft treten, sondern frühestens im Januar. Ob der Bundesrat sich überhaupt am 14. Dezember mit dem Ganzen befasst, legt sein Beirat mit hochrangigen Ländervertretern am 5. Dezember fest.

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