Sie sind relativ preiswert, technisch immer ausgefeilter und erobern zunehmend den Luftraum und die Schlagzeilen: Drohnen. Mit den unbemannten Flugkörpern testet die Post an der Nordsee gerade die Zukunft der Paketzustellung. Doch über französischen Atomkraftwerken löst ihr Erscheinen ebenso Alarm aus wie über deutschen Gefängnissen. Schon wurden die ersten Drohnen mit Drogen und Handys in Innenhöfen von Haftanstalten entdeckt. «Wir sind uns des Problems bewusst und haben es im Blick», sagt etwa Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne). Nach Angaben ihres Hauses wollen Staatssekretäre aus den Justizressorts aller deutschen Bundesländer das Thema im kommenden Mai in Bremen ausleuchten. «Wir stehen aber erst ganz am Anfang der Debatte», sagt der Informatiker und Drohnen-Spezialist Sven Manske von der Universität Duisburg-Essen. Er glaubt: «Das Problem liegt bisher gar nicht so sehr auf der technischen Ebene, sondern in der Tatsache, dass das Bewusstsein für das Problem weitgehend noch fehlt.» Obwohl es in vielen Städten zunehmend Beschwerden von Menschen gebe, vor deren Balkon kleine Drohnen auftauchten, würden sie weiter oft nur in ihrer militärischen Anwendung verstanden, sagt Manske. Er fordert etwa einen gesetzlich vorgeschriebenen Einbau von elektronischen Geräten, die die Zuordnung der Drohnen zum Eigentümer ermöglichen könnten.
Denn was vom US-Militär in weitaus komplexerer Form als tödliches Instrument im Kampf gegen den Terror genutzt wird, hat längst seinen Weg als Massenphänomen in den Alltag gefunden. Die Billigflieger liefern nicht nur Paparazzi, sondern auch Polizei, Immobilienmaklern oder der Feuerwehr spektakuläre Luftbilder. Es gibt Pläne, sie etwa mit 3D-Druckern ausgestattet zum Ausbessern von hoch gelegenen Fassaden einzusetzen. Das Problem: Die Miniflieger können auch für diverse kriminelle Ziele genutzt werden, zumal sie immer kleiner werden und damit zunehmend schwieriger zu entdecken sind. Auf der Spielwarenmesse in Nürnberg zeigte sich gerade, wie weit Perfektionierung und Miniaturisierung gehen: Der Rumpf des kleinsten ferngesteuerten Spaßfliegers war so groß wie ein Daumennagel. Kaum länger war ein Exemplar mit Kamera und Anschluss zum Übertragen der Videoaufnahmen. Andere können per Headset mit Worten gesteuert werden: Alles Exemplare, die frei im Handel erhältlich sind.
«Wir haben uns die Zukunft immer mit fliegenden Autos vorgestellt, doch es sind die unbemannten Flugkörper, die sie prägen werden», sagt Cathrine Kniep von der landeseigenen Niedersachsen Aviation, einer Initiative zur Unterstützung der Luft- und Raumfahrtindustrie. «Der Übergang von den Spielzeugen zu den Werkzeugen für alle Arten der Anwendung ist fließend.» Dazu gehören auch Industriespionage und -sabotage – ein Thema, das bei der in einem Monat beginnenden IT-Messe CeBIT einen Schwerpunkt der Debatten darstellen wird.—pagebreak—
Kniep ist sich daher beim Blick auf die Drohnenabwehr sicher: «Das ist wie mit dem Internet – wir haben uns erst vernetzt und dann erst Gedanken gemacht, wie wir uns vor denen schützen, die es übel mit uns meinen.» Die Begeisterung für technische Innovationen überlagere noch immer rechtliche und ethische Debatten. Kein Wunder, dass erst langsam an der Abwehr der kleinen Fluggeräte für jedermann gearbeitet wird – einem Markt mit beachtlichem Potenzial. «Er hat ein hohes Wachstumspotenzial, ist aber erst in der Phase des Entstehens; wir beobachten interessiert, was sich da tut», sagt Sven Althoff. Das Vorstandsmitglied des weltweit drittgrößten Rückversicherers Hannover Rück weist auf die rasante Entwicklung hin, aber auch die in vielen Ländern unzureichende gesetzliche Lage: «Die Versicherungen fühlen sich nicht wohl bei dieser Konstellation.»
Zu den wenigen prominenten Mahnern gehört der frühere Sicherheitschef des Deutschen Fußball Bundes, Helmut Spahn. Der heutige Chef des International Centre for Sports Security (ICSS) in Katar fordert, die Drohnen endlich auf die Agenda der neuen Gefahrenquellen zu setzen und nach Konzepten gegen Drohnen zu suchen. Denkbar wäre auch ein Drohnen-Führerschein oder eine Besitzkarte wie bei Waffen. «Es gibt technisch durchaus bereits erste Ansätze – etwa über Signalstörung für die Fernsteuerung», sagt Hans-Jürgen Rehm von IBM Deutschland zur Frage bestehender Drohnenabwehrsysteme. Das Problem: Die Frequenz muss erst mal bekannt sein; zudem können Störsender der Nachbarschaft den WLAN-Empfang zerhacken. Am weitesten dürften dabei bisher die USA sein, wo etwa die Firma DroneShield für Haftanstalten, Großveranstaltungen, Flughäfen und andere sensible Bereiche komplexe Anti-Drohnen-Anlagen entwickelt hat. Ein Export ist aber an restriktive Genehmigungen gekoppelt. Frankreich hat nach Drohnenüberflügen von Atomanlagen gerade seine nationale Forschungsagentur beauftragt, ein Abwehrsystem zur Entdeckung und Abwehr der Miniflieger zu entwickeln. Die deutschen Justizbehörden sind spätestens nach dem Fund einer mit Handy und Drogen beladenen Drohne in einer Haftanstalt in Hamburg alarmiert. Aktuell findet eine Länderumfrage zum Umgang mit der Drohnengefahr statt. Sie dient dem Erfahrungsaustausch der Bundesländer untereinander und zielt auf die Frage nach Maßnahmen zur Abwehr von Überflügen und einem eventuellen Bedarf neuer Regelungen. (dpa)