Das weltweit größte Computermuseum steht in Ostwestfalen. Den Grundstein für die Sammlung legte ein Mann aus Paderborn. Vor 100 Jahren wurde in der Bischofsstadt Heinz Nixdorf geboren. Ein Pionier und Firmenpatriarch, der für das Auf und Ab der deutschen Computerindustrie steht.
Ausgerechnet auf der ersten Cebit in Hannover bekam Nixdorf einen Herzinfarkt. Am Abend des 17. März 1986 feierte er mit Mitarbeitern, Kunden und Journalisten im Nixdorf-Saloon bei Westernmusik. Überlebt hat er den Infarkt nicht. Die Cebit etablierte sich in den kommenden Jahren als weltweit größte Messe für Informationstechnik und wurde bis zu ihrem Aus 2018 vom Publikum überrannt. Bei Nixdorf in Paderborn dagegen begann der langsame Niedergang.
Am 9. April wäre Heinz Nixdorf 100 Jahre alt geworden. Seine Spuren sind in Paderborn noch heute an allen Ecken und Ende zu finden. So steht das größte Computermuseum (bescheinigt vom Guinness-Buch der Rekorde) nicht in Kalifornien im Silicon Valley, sondern als Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF) am Standort der ehemaligen Firmenzentrale in Paderborns Westen. Im Schnitt kommen 120.000 Besucher im Jahr in die Ausstellung, für die Nixdorf mit einer Sammlung von Rechen- und Schreibmaschinen seit 1977 den Grundstock legte.
Auf und Niedergang
Das Leben des mit 60 Jahren gestorbenen Unternehmers steht exemplarisch für den Aufstieg und den Niedergang der deutschen Computerindustrie. Wobei der studierte Physiker die Grundlagen für sein Imperium mit Angeboten für die mittelständische Wirtschaft legte. Hier lief vieles in den 1950er Jahren bislang mechanisch.
Beeindruckend im Museum ist die meterhohe Telefonvermittlung aus Hagen, bei der Anrufer und Angerufene noch mit klackender Mechanik miteinander verbunden werden. Aus der Mechanik wurde durch Nixdorf – anfangs im Computerbereich, von 1982 an auch beim Telefon – Elektronik. Ein von ihm entwickelter Elektronenrechner auf Röhrenbasis steht beispielhaft für die neue Welt der Datenverarbeitung.
Den Anfang macht Nixdorf dabei in Essen. Finanziell angeschoben vom Energieversorger RWE, erhielt er den Auftrag für einen Elektronenrechner. Dazu gründete er das Labor für Impulstechnik und arbeitete in einem RWE-Keller im Ruhrgebiet. Erst später zieht Nixdorf in seine Geburtsstadt Paderborn.
Groß wird er mit Bürocomputern für die Datenverarbeitung. Später kommen Lösungen für Banken und Handel hinzu. Den Nixdorf-Schriftzug kennen viele Bankkunden noch vom Geldautomaten. Die Nixdorf AG war ein weltweit erfolgreiches Unternehmen mit Milliarden-Umsatz. Noch mit der D-Mark, versteht sich.
Kurz nach Nixdorfs Tod beginnt auch der wirtschaftliche Niedergang der Firma. Nachfolger Klaus Luft vermeldete zwar mit mehr als 5 Milliarden DM Umsatz bei weltweit mehr als 30.000 Beschäftigen nochmals einen Rekord. Zuvor hatte Heinz Nixdorf wiederholt 20 Prozent Plus beim Jahresumsatz geschafft. Mitbewerber waren IBM, AEG, Telefunken oder Siemens. Irgendwann aber passten Umsatz und Gewinn nicht mehr zusammen.
Nicht erfolgreich mit PC-Angebot
Der Vorwurf, Nixdorf habe das Geschäft mit dem Personal-Computer (PC), also dem Rechner für den privaten Gebraucht, verschlafen, sei falsch, sagt Andreas Stolte. Der Sprecher des Museums betont, dass das Unternehmen diese Rechner samt Microsoft-Betriebssystem durchaus angeboten habe, aber damit wirtschaftlich nicht erfolgreich war. Hinzu kam, dass Hard- und Software immer häufiger getrennt entwickelt wurden.
So habe Nixdorf zum Beispiel zu hohe Lagerkosten gehabt und die Rechner nicht schnell nach Nachfrage am Markt produziert. Die PC-Sparte geht später über Zwischenschritte an Fujitsu. Mit deutscher Beteiligung war Fujitsu Siemens Computers (FSC) der letzte weltweit bedeutende PC-Anbieter. Entstanden war FSC aus dem Zusammenschluss von Fujitsu mit Siemens als Nachfolger von Siemens Nixdorf 1999.
Streit mit dem Postminister
Heinz Nixdorf war für seine direkte Art und vielen Anekdoten bekannt. Vom Postminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) forderte er vehement die schnelle Privatisierung der Post. «Da hat er sich mit ihm angelegt», erzählt Stolte. Nixdorf wollte die digitale Technik auf dem Telefonmarkt, Stichwort ISDN, schneller etablieren und fühlte sich ausgebremst.
Zu seiner Belegschaft hielt Heinz Nixdorf, der mit vier Geschwistern aufwuchs, sehr engen Kontakt. Sein Chefbüro war im Erdgeschoss. «Er hat Management by Walking betrieben», sagt Nixdorfs Biograf Christian Berg der Deutschen Presse-Agentur. Er habe sich immer wieder auch in der Produktion sehen lassen. Bergs Mutter hatte für Nixdorf in Handarbeit Platinen bestückt und ihrem Sohn von Begegnungen mit dem Firmenchef berichtet.
Was der Chef nicht leiden konnte, waren Mitarbeiter, die mit dem guten Namen Nixdorf außerhalb der Firma für sich Vorteile herausschlagen wollten. «Da wurde er dann bei Mitarbeiterversammlungen auch schon einmal laut», erzählt Berg, der die Nixdorf-Biografie als Doktorarbeit an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Uni Paderborn schrieb. Heute ist er Mitarbeiter des Computermuseums, das eine Zeitreise bietet von den Anfängen der Kommunikation mit der Keilschrift bis zu den neuesten Entwicklungen bei Quanten-Computern.
Arbeitsloser Vater
Die Arbeitslosigkeit des Vaters in den 1930er Jahren habe Heinz Nixdorf sehr geprägt, erzählt Stolte. Das erkläre das enge Verhältnis, dass er stets zu seiner Belegschaft geführt habe. Mit zehn Prozent gab es bei Nixdorf stets eine hohe Ausbildungsquote in der Belegschaft.
Heinz Nixdorf war begeisterter Sportler und gründete das Institut für Sportmedizin an der Uni Paderborn. Seinen Auszubildenden gab er für den Sport zwei Stunden in der Woche frei. Über deren körperlicher Verfassung zeigte sich Nixdorf zum Teil entsetzt. «Darum verlange ich, dass jeder Auszubildende sich zunächst einmal fit macht und beispielsweise Dauerlauf über 5 km trainiert», ordnete der Patriarch 1985 an. Mit dem Segeln begann er erst im Alter von 45 Jahren. Dennoch gelang ihm bereits kurz darauf – 1974 – bei der Segel-Weltmeisterschaft ein Tagessieg.
Sein Segelpartner Josef Pieper war kurioserweise auch der Fahrer seines Firmenwagens. Der hatte ein gutes Gespür für die Launen seines Chefs. Wer wissen wollte, ob ein Vorsprechen bei Heinz Nixdorf gerade sinnvoll sein könnte, fragte Pieper, wie es so beim Segeln war. (dpa)