Erst im Frühjahr kam der Fall eines Enercon-Betriebsrats vor das Magdeburger Arbeitsgericht, dem nach einer E-Mail an die Belegschaft gekündigt werden sollte. Die Firma unterlag in erster Instanz. Nicht selten wird als Kündigungsgrund die Störung des Betriebsfriedens ins Feld geführt, sagt Wolfgang Alles. Der Fall Schmitt war für ihn Anlass, die Solidaritätskampagne «Gegen BR Mobbing» zu gründen. In Mannheim findet zum zweiten Mal eine bundesweite Konferenz von IG Metall und der Organisation Work Watch zu dem Thema statt. Häufig seien solche Fälle in internationalen Konzernen zu finden, so Alles. Die IG Metall hatte 2014 bei der OECD Beschwerde gegen den südkoreanischen Autobauer Hyundai eingelegt, weil der den Betriebsrat in Rüsselsheim eingeschüchtert und behindert haben soll.
Doch die großen Gewerkschaften haben kaum Erkenntnisse und Daten darüber, wie häufig Betriebsräte in Unternehmen angegangen oder zu Unrecht drangsaliert werden. «Die Zahlen sind schwer zu erheben», betont ein Sprecher der DGB Rechtsschutz GbmH, die Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes vertritt. Das liege auch daran, dass die Betroffenen sich häufig einen eigenen Anwalt nehmen und nicht an die Gewerkschaften wenden. Hinzu kommt: Mobbing oder Verleumdung sind schwer greifbar. «Die Behinderung der Institution Betriebsrat ist eine Straftat», sagt Prof. Jens Schubert, Leiter der Rechtsabteilung bei der Gewerkschaft Verdi. Mobbing bedeute hingegen, dass jemand in herabwürdigender Weise behandelt wird. «Das ist im Einzelfall leider schwer nachzuweisen. In Fällen von Betriebsräten geht es da häufig um das Ausschließen von Informationen oder um Fehlinformationen.»—pagebreak—
Von Arbeitgebern würden hingegen häufig andere Kündigungsgründe gesucht, sagt Schubert. «Das können dann beispielsweise Fehler in der Reisekosten- oder Arbeitszeitabrechnung sein.» Schubert geht allerdings davon aus, dass das häufiger in kleineren Firmen vorkommt, in denen der gewerkschaftliche Organisationsgrad niedriger ist. Elmar Wigand von der Aktion Arbeitsunrecht e.V. schätzt, dass höchstens fünf Prozent der Fälle überhaupt zur Anzeige kommen. Selbst wenn nach dem Betriebsverfassungsgesetz der Straftatbestand erfüllt sei, also der Betriebsrat in seiner Arbeit behindert werde, würden Staatsanwaltschaften nur selten tätig. Auch die Gewerkschaft IG BCE weist auf das Problem hin und hat bereits entsprechende Gesetzesänderungen gefordert. Solche Vorstöße kommen ansonsten bislang nur von der Opposition: Die Grünen im Bundestag sprechen sich in einem aktuellen Antrag für einen Gesetzentwurf aus. Darin wird unter anderem gefordert, dass die Bundesregierung prüft, ob bei der Verfolgung dieser Straftaten strukturelle Defizite bestehen und wie diese behoben werden können. «So langsam», stellt Wigand von der Aktion gegen Arbeitsunrecht fest, «bewegt sich etwas».
Rechtsanwalt Klaus-Dieter Freund, der Betriebsräte und das Solidaritätsbündnis «Gegen BR Mobbing» berät, sieht die Probleme aber weiterhin: «Sobald ein Betriebsrat individualrechtlich angegangen wird, gibt es ein strategisches Ungleichgewicht, weil die Beweislast beim Beschuldigten liegt.» Hinzu komme der persönliche Druck, wenn die Arbeitnehmer erst einmal freigestellt seien: Häufig hielten die Betriebsräte dem nicht stand. «Die Verfahren gehen über Monate oder sogar Jahre, in der Zeit sind sie häufig nicht arbeitsfähig.» Freund sieht deshalb die Gewerkschaften in der Pflicht: «Es gibt die Möglichkeit, dass sich die Gewerkschaften kollektivrechtlich einsetzen, wenn mindestens ein Arbeitnehmer des betreffenden Betriebes Mitglied der Gewerkschaft ist», rät er auf der Mannheimer Konferenz. Dann habe die Gewerkschaft eine Klagemöglichkeit. Im Fall von Holger Schmitt hat die Unterstützung der Gewerkschaft auch außerhalb des Gerichtssaals geholfen. Er arbeitet noch heute in der Firma – und ist auch noch Betriebsrat. Und auch wenn er nach wie vor Widerstände aus den eigenen Reihen im Betriebsrat spürt: «Die Geschäftsführung ist mir gegenüber sehr vorsichtig geworden.»