Dieses Lied kennt in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt jedes Kind. Das „Magdeburger Lied“ gehört zum Pflichtprogramm in Kitas, Schulen und selbst im Fußballstadion. „Der Omnibus fährt durch die Stadt, die so wie wir noch Zukunft hat“, heißt es da in einer Strophe. Von einer verheißungsvollen Zukunft hat man in der Region lange geträumt. Großansiedlungen gab es hier im Vergleich zu anderen Orten seit der Wende jedoch keine. Mit dem US-Chiphersteller Intel soll sich das ändern.
Im März hatte das Unternehmen bekannt gegeben, dass in Magdeburg ab 2027 Chips der neuesten Generation produziert werden sollen. In einer ersten Ausbaustufe sollen zwei Halbleiterwerke gebaut werden, mehrere Tausend Arbeitsplätze könnten entstehen. Das neue Industriegebiet soll 450 Hektar umfassen – das entspricht der Fläche von rund 620 Fußballfeldern. Zum Vergleich: Für das Autowerk von Tesla in Brandenburg waren 300 Hektar vorhanden.
In Sachsen-Anhalt rieb man sich nach der Verkündung noch monatelang die Augen, dass sich Intel nach einem langen Auswahlprozess tatsächlich für Magdeburg entschieden hat. Von einer der größten Investitionen in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands war die Rede. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mahnte aber schon damals: „Jetzt fängt eigentlich die Arbeit erst richtig an.“
Und die ist dann doch etwas komplizierter geworden, nachdem anfangs vieles reibungslos lief. Der Kaufvertrag zwischen der Stadt und dem Unternehmen für das Grundstück ist unterzeichnet. Doch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs beeinträchtigen die Pläne von Intel. Bau- und Energiekosten sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen, dazu kommen allgemeine Preissteigerungen und eine gesunkene Nachfrage nach Halbleitern. „Es hat sich vieles verändert, seit wir unsere Pläne für den Bau eines neuen Halbleiterfabrikstandorts in Deutschland bekanntgegeben haben“, sagt ein Intel-Sprecher. Der Anstieg der Energiekosten in Deutschland und in Europa sei „ein Problem“.
Während es im September bei Intel noch hieß, „der Baubeginn rückt nun immer näher und ist für die erste Jahreshälfte 2023 vorgesehen“, sind die Töne inzwischen verhaltener. „Zum Baubeginn selbst werden wir genauere Angaben machen, sobald wir können“, sagt der Sprecher. Man arbeite mit den Regierungen zusammen, um die Kostenlücke im Vergleich mit Standorten außerhalb der EU zu schließen. „Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Lage ist diese Lücke gewachsen.“
Die 17 Milliarden Euro, die Intel im März als Startinvestition für die beiden Fabriken angekündigt hatte, werden dem Vernehmen nach nicht reichen. Dabei ist das bereits in etwa dreimal so viel wie Tesla in Brandenburg investiert hat. Auf Anfrage äußert sich der Chiphersteller nicht detailliert zu möglichen Kostensteigerungen. In der Politik wird gemutmaßt, dass das Unternehmen mit dem vorsichtigeren Statement einen gewissen Verhandlungsdruck erzeugen will, um bei der staatliche Förderung noch mehr rausholen zu können.
Der Bund hat angekündigt, die Ansiedlung des Chipherstellers unterstützen zu wollen. 6,8 Milliarden Euro wurden in Aussicht gestellt. Im Zuge der Förderung will die EU die rechtlichen Rahmenbedingungen anpassen, was jedoch noch bis zum Sommer 2023 dauern könnte. Unter anderem sollen neue Halbleiterfabriken einfacher durch Beihilfen unterstützt werden können.
Eigentlich ist Staatshilfe für Unternehmen in der EU nur in Ausnahmefällen möglich, damit der Wettbewerb nicht verzerrt wird. Mit dem „Chips Act“ will die EU jedoch verhindern, dass Europa bei der Produktion von Mikrochips abgehängt wird. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten wollen bis 2030 einen Weltmarktanteil Europas von 20 Prozent erreichen.
Bis die Förderung für Intel also in trockenen Tüchern ist, könnte es noch etwas dauern. Und die Konkurrenz schläft nicht. Infineon hat vor einigen Wochen angekündigt, in Dresden ein neues Halbleiterwerk mit bis zu 1000 Arbeitsplätzen bauen zu wollen. Auch dort hängt die Investition aber von der Unterstützung durch öffentliche Gelder ab.
Damit steht dem Osten wohl auch ein harter Wettbewerb um Fachkräfte bevor. In Magdeburg hofft man auf Pendler aus Leipzig, Braunschweig und Berlin. Hochschulen in der Region überprüfen bereits die Schwerpunkte der Lehrstühle, um die Weichen für die Ausbildung zu stellen.
Stadt und Land treiben die Planungen trotz der schwieriger gewordenen Rahmenbedingungen voran. „Der Investor hat sich zum Standort bekannt, das ist für mich die entscheidende Grundlage. Wir befinden uns in der Vorbereitung dieses Industrieparks. Das Land macht seine Hausaufgaben“, sagt Haseloff. Im Januar sollen auf der Intel-Fläche die erforderlichen archäologischen Untersuchungen beginnen. „Wir liegen im Zeitplan. Das Grundstücksgeschäft ist gelaufen, genau fristgemäß, so wie es geplant war. Es geht Stück für Stück voran.“ (dpa)