Ganz vertieft in ihre Arbeit sitzt eine junge Frau mit Kopfhörern an ihrem Laptop an einem langen Holztisch. Sie hat einen einzelnen Arbeitsplatz in dem schicken Coworking-Büro Mindspace im Zentrum von Tel Aviv gemietet. Das israelische Unternehmen hat mit seinem Konzept sichtbar Erfolg – insgesamt drei Stockwerke in zwei Gebäuden am zentralen Rothschild-Boulevard sind voll ausgebucht, und die Warteliste ist lang. Jetzt hat Mindspace auch den Schritt nach Deutschland gewagt – und bietet riesige Büroräume in Berlin (5.000 Quadratmeter) und Hamburg (4.000 Quadratmeter) an. «Deutschland ist für uns die Eintrittspforte nach Europa», sagt Mitbegründer Yotam Alroy selbstbewusst. Rund 20 Mitarbeiter hat Mindspace bisher in Deutschland. «Wir haben in Berlin angefangen, weil es wegen der vielen Start-ups ein ideales Umfeld für uns ist», sagt Alroy, der Mindspace gemeinsam mit Dan Zakai gegründet hat. «Es gibt viel Nachfrage nach offenen Räumen.»
In der «Start-up-Nation» Israel sprießen Coworking-Büros aus dem Boden wie Pilze. Viele davon wirken wie eine Mischung aus Café, Bücherei und hochmodernem Büro. Mindspace strahlt mit seinem verspielten Design gleichzeitig Eleganz und Gemütlichkeit aus. Vor allem in der Küstenmetropole Tel Aviv hat das Unternehmen- aber auch sehr viele Konkurrenten, der Größte darunter: WeWork. Es ist ein internationales Unternehmen, einer der Mitbegründer ist der Israeli Adam Neumann. Er hat sich von der Idee der israelischen Gemeinschaftskommune Kibbuz inspirieren lassen – immerhin ist er selbst in einem aufgewachsen. Das Konzept stammt zwar ursprünglich aus dem Sozialismus, erweist sich aber in der modernen Arbeitswelt als durchaus lukrativ – nach Schätzungen des Magazins «Forbes» ist Neumann umgerechnet 1,3 Milliarden Euro schwer. Weltweit hat WeWork bereits mehr als 50.000 Mitglieder an mehr als 90 Orten in rund 30 Städten in 12 Ländern.
Das Konzept der Coworking-Büros ist in vielen Unternehmen ähnlich: Die Mieter sind «Mitglieder» und erhalten Dienstleistungen, die weit über ein normales Mietverhältnis hinausgehen. Die Hauptidee ist es, den Nutzern beim Knüpfen neuer beruflicher Netzwerke zu helfen. «In einem herkömmlichen Büro kennt man meistens nur die Leute, mit denen man in einer Abteilung arbeitet», sagt Alroy. Bei Mindspace Tel Aviv beginnt jeden Donnerstagnachmittag eine «Happy Hour» – dabei werden viele neue Geschäfte vereinbart. Sogar Massagen und Dating-Services sind inklusive. Die Mieter treffen in den offenen Büroräumen nicht nur auf Mitglieder ihrer eigenen Berufssparte. «Wir haben ausländische Firmen, Rechtsanwälte, Grafikdesigner – nicht nur Start up-Gründer», sagt Alroi. Ideal sei das Konzept für «kleine Firmen, die sich im Wachstum befinden». Bei Mindspace kann ein Mitglied sein Büro von Monat zu Monat vergrößern oder verkleinern. «Das ist gut, wenn ein Start-up noch nicht genau weiß, wo der Weg hingeht.» Ein Arbeitsplatz kostet 400 bis 500 Euro – die Mieter können zwischen kleinen Büros hinter Glaswänden und offenem Büroraum wählen.
Stefan Rief vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft sieht im Bereich Coworking Spaces in Deutschland «sehr starke Wachstumsraten». Diese Art von Büroraum diene vor allem der «Flexibilisierung von Arbeit», sagt der Leiter des Competence Centers Workspace Innovation. «Man kann hier Netzwerke besser knüpfen als nur über soziale Medien.» Es sei inzwischen sogar üblich, dass große, etablierte Unternehmen kleine Teams in externe Coworking Spaces schicken, um eingefahrene Arbeitsformen «aufzumischen». «Man trifft auf ganze andere Leute, das ist sehr inspirierend», erklärt Rief. Alroy von Mindspace meint, eigentlich passe das Konzept kulturell sowieso besser nach Deutschland als nach Israel: «In Europa sind alle viel leiser – da stört man sich auch in einem Großraumbüro kaum.»