Die Apple-Aktionäre haben sich am Montag nach eineinhalb Jahren wieder über ein Rekordhoch gefreut. Erstmals kosteten die Aktien mehr als 184 US-Dollar in Vorfreude auf eine fünftägige Entwicklerkonferenz, die an diesem Montag begann. Als es sich bestätigte, dass der Technologiekonzern eine Computer-Brille vorstellt, kam es aber zu Gewinnmitnahmen. Nach einem Spitzenanstieg um 2,2 Prozent verloren die Aktien zuletzt gut ein Prozent an Wert.
Apple wagt mit seiner ersten Computer-Brille den Eintritt in eine neue Produktkategorie mit ungewissen Erfolgsaussichten. Der iPhone-Konzern stellte am Montag das Gerät mit dem Namen Vision Pro vor, das äußerlich an eine Hightech-Skibrille erinnert. Der Preis ist stattlich, soll das neue Gerät doch 3499 US-Dollar kosten. Laut dem Bank-of-America-Experten Wamsi Mohan lag die Konsenserwartung bei etwas milderen 3000 Dollar. Seine Erwartung war vor der Präsentation, dass „ein günstigerer Preis eine positive Überraschung wäre“.
Die neue Datenbrille soll sich in große Produktinnovationen einreihen, die Apple vom kleinen Computerpionier der 70er Jahre zu einem der wertvollsten Konzerne der Welt gemacht haben, der mittlerweile mit fast drei Billionen US-Dollar an der Börse bewertet wird: Macintosh Computer (1984), iMac (1999), iPod (2001), iPhone (2007), iPad (2010) und zuletzt die Apple Watch (2014). Die Fans von Apple warteten also seit fast zehn Jahren auf das sprichwörtliche „One More Thing“, das nächste große Ding.
Ihren starken Lauf in diesem Jahr krönten die Apple-Aktien zunächst mit dem Rekord von 184,95 Dollar. Die alte Bestmarke stammte mit 182,94 US-Dollar aus dem Januar 2022. Zu Jahresbeginn waren die Titel nahe 124 Dollar noch so günstig wie im Sommer 2021, doch seitdem haben sie fast die Hälfte an Wert gewonnen. Die Zuwächse wurden durch Anzeichen einer anhaltenden wirtschaftlichen Stärke, Wetten auf einen Zins-Höhepunkt und die sektorweite Begeisterung rund um das Thema Künstliche Intelligenz angeheizt.
Der Einstieg in das neue Segment ist für Apple allerdings mit erheblichen unternehmerischen Risiken verbunden. Zum einen ist der Markt für solche Produkte bislang nicht besonders groß. Und zum anderen muss das Unternehmen gegen Wettbewerber antreten, die seit vielen Jahren Erfahrungen mit den Datenbrillen und den dafür notwendigen Anwendungen gesammelt haben. Der Facebook-Konzern Meta zum Beispiel preschte am vergangenen Donnerstag mit der Ankündigung eines neuen Modells seiner Quest-Brillen vor.
Laut dem Experten Amit Daryanani vom Analysehaus Evercore ISI gehören die neuartigen Brillen zu den wichtigsten Wachstumsinitiativen von Apple – neben Werbung, Bezahldiensten und iPhone-Marktanteilsgewinnen. Der Konzern bleibe dazu in der Lage, in den nächsten Jahren bei geringerer Volatilität und hoher Konstanz ein Umsatzplus im mittleren einstelligen Prozentbereich und beim Gewinn je Aktie sogar ein zweistelliges Gewinnwachstum aufrechtzuerhalten. Die Aktie bleibt für ihn ein „Top Pick“, sein Kursziel von 210 Dollar suggeriert noch Potenzial nach oben. Im Optimalfall hält er sogar einen Anstieg bis auf 315 Dollar für möglich.
Wamsi Mohan von der Bank of America bleibt aber skeptisch für die Apple-Aktie, wie sein Votum mit „Neutral“ zeigt. Eine Mixed-Reality-Brille werde die iOS-Applikationen aufwerten und den Anwendern ein besseres Erlebnis bescheren. Sollte Apple damit erfolgreich sein, könnten die Umsätze mit Apple-Services steigen. Er erwähnte aber, dass Kurstreibern wie etwa solch einer Brille das im zweiten Halbjahr wohl geschwächte Konsumentenumfeld gegenüber stehe.(dpa)