«Wir sind immer auf der Suche nach lästigen Tätigkeiten und nach ungenutzter, ‚toter’ Zeit», Dr. Bernhard Kirchmair ist Chief Digital Officer (CDO) bei Vinci Energies ICT Germany, dem Mutterunternehmen des Systemhauses Fritz & Macziol, das ab Januar als Axians IT Solutions firmieren wird. Kürzlich hat er ein Tool eingeführt, das die Reisekostenabrechnung seiner Mitarbeiter vereinfacht: «Jeder kennt die Situation, man bezahlt ein Taxi und bekommt eine Quittung. Die muss man mit den übrigen Reisekosten einreichen, wenn im Büro besonders viel Arbeit wartet.» Nach der Dienstreise nämlich, wenn das Postfach mit unerledigten Mails überquillt, der Anrufbeantworter voll ist und die Kollegen auf Antworten warten. Die Reisekostenapp löst das Problem. Die Quittung an Ort und Stelle mit der Smartphone Kamera in die App fotografieren. Fertig. Die App stößt in der Unternehmenssoftware den Prozess für Reisekostenabrechnung an. Der Mitarbeiter ist entlastet und kann sich auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren, ohne dass der nötige Verwaltungsakt zu kurz kommt.
Die Lösung klingt beinahe banal, setzt aber voraus, dass ein Unternehmen bereit und in der Lage ist, über Geschäftsprozesse nachzudenken und die Fähigkeit hat, diese in moderne Technik umzusetzen. «Wir entwickeln Prototypen, die wir testen und im Unternehmen ausrollen», sagt Kirchmair. Weil diese digitalen Lösungen auch für andere Unternehmen interessant sind, kann das Tochterunternehmen Fritz & Macziol diese ihren Kunden anbieten. Die Grundlagen sind längst gelegt: Das Systemhaus beschäftigt etwa 40 Solutions Architekten mit den unterschiedlichsten Spezialisierungen. Die Aufgabenstellung ist immer gleich: Aus der Analyse von Geschäftsprozessen und neuesten Technologien erarbeiten die Architekten digitale Lösungen. Das kann kundenspezifisch funktionieren wie etwa im Fall eines Versorgungsunternehmens. «Zu langsame Antworten auf Kundenanfragen haben vermehrt zu Kündigungen geführt», erklärt Sascha Bäcker, Solutions Architekt bei Fritz & Macziol in Hamburg, und spezialisiert auf BI. Seine Analyse der Kündigungen ergab eine deutliche Korrelation: «Im Geschäftsalltag sind das Prozesse, die schleichend laufen, ohne dass die Verantwortlichen einen Zusammenhang erkennen können. Der wird erst sichtbar, wenn man mehr Informationen in Relation setzt.»
Zudem schafft das Unternehmen Freiräume, damit die Solutions Architekten mit neuen Technologien experimentieren können. So hat Bäcker unlängst aus einer einfachen Webcam und günstiger Hardware eine Gesichtserkennung gebaut. Genutzt hat er dabei Services, die IBM-Watson zur Verfügung stellt. Im nächsten Schritt soll eine Infrarotkamera die Lösung ergänzen. «Das Ziel ist es natürlich, Lösungen zu entwerfen, die für unsere Kunden interessant sind. Aus meinem Aufbau könnte eine Anwendung für einen Einzelhändler werden, der wissen will, wie sich seine Kunden im Geschäft bewegen oder auch die Basis für eine Überwachungslösung.» Auch im Bereich klassische IT-Beschaffung betritt das Systemhaus neue Wege: Zum Ende des Jahres geht das Portal Axians Digitalhub online. Es ist eine Art Marktplatz, auf dem Kunden Standardprodukte aber auch komplexe Lösungen konfigurieren, beschaffen und administrieren können. Dabei aggregiert das Systemhaus die Angebote unterschiedlicher Partner als online buchbare Pakete. Das System erlaubt den Nutzern auch einen aktuellen Preisvergleich verschiedener Angebote wie etwa Amazon AWS, Microsoft Azure oder lokaler Rechenzentrums-Partner. Alle Leistungen werden im Hintergrund vom Axians Digitalhub abgerechnet. Für die Nutzung der Plattform stellt das Systemhaus seinen Kunden eine Gebühr in Rechnung.
Ein Beispiel: Über den Digitalhub können Kunden CAD-Arbeitsplätze aus der Cloud buchen. Die Software wird auf einem Nvidia Grafikcluster betrieben. Ausgeliefert wird sie über das System der Wahl des Kunden, etwa einen Citrix Workspace, den er neben Alternativen über die Plattform ebenfalls im Paket buchen kann. Abgerechnet wird das gesamte Paket – für den Kunden transparent – nutzungsbezogen über den Digitalhub. Damit wird aus einem klassischen Systemhaus im Standardgeschäft ein Aggregator und Vermittler von Herstellerleistungen und komplexen, paketierten Lösungen mit angeschlossener nutzungsbezogener Abrechnungsstelle. Auf der anderen Seite transformiert sich das Unternehmen mit seinen Solutions Architekten in einen hochspezialisierten Entwickler digitaler Lösungen. Im Idealfall können diese anschließend in Produkte überführt und standardisiert über den Digitalhub angeboten werden.